Alexa, die Amazone – Die große Chance
Enttäuschen darf er nie. Weder er noch Ariane, die fliegende Wunderstute. Erfolg heißt der Zauberbann, der nie gebrochen werden darf ... Harry möchte wahrlich nicht tauschen.
Die Bahn ist frei, weihnachtliche Klänge wehen durch die voll besetzte Halle. Während Harald seine Gäste noch begrüßt, beginnt er, die Zügel in der linken Hand, schon Hilfen zum fliegenden Galoppwechsel a tempo zu geben. Unauffällig lässt er das kleine Mikro in seine Rocktasche gleiten und nimmt die Zügel auf. Arianes zierliche Vorderhufe schweben in der Luft, die Stute scheint zu tanzen. Geschickt hat Harald den Beifall nach seiner Rede umgangen. Er, der Ansprachen hasst.
Gebannt folgen unzählige Augen Arianes geschmeidigen Bewegungen.So schwebt Haralds Partnerin fast ungesehen in die Halle. Doch dann geht ein mehrstimmiges Raunen durch die Reihen, so, als sähe man etwas Wunderschönes, fernab jeglicher Realität. Im versammelten Galopp reiten die beiden aufeinander zu, treffen sich in der Mitte der Bahn. Er, der weltbekannte Springreiter auf seiner Wunderstute und sie, die unbekannte Schönheit auf diesem schneeweißen Pferd, das aussieht, als sei es von der Spanischen Hofreitschule in Wien für ein kurzes Gastspiel beurlaubt worden. Während Ariane und Amor knapp vor X auf der Mittellinie eine halbe Pirouette drehen, drängt sich schon der halbe Kurs an dem kleinen vergitterten Fenster. Ganz entgegen allen Regeln und Pflichten, haben sie nach ihrem gelungenen Kosakenritt die Pferde, so wie sie waren, in die Boxen gestellt. Dieses Schauspiel hier wollte sich keiner entgehen lassen. Alexa hat die untere rechte Ecke des Gitterfensters ergattert. Mit dem linken Auge blinzelt sie hindurch, Kopf an Kopf mit Michael, den Rücken durch Frank und Irene gewärmt, die sich die Hälse verrenken, um an den anderen vorbeizusehen.
»Mannomann«, flüstert Michael und legt wie selbstverständlich einen Arm um Alexa. Mannomann, denkt Alexa und rührt sich nicht. Was soll denn das jetzt? Bei dem Gedanken, von den Kameraden könne jemand diese Vertraulichkeit bemerken, wird ihr heiß und kalt. Vor lauter Aufregung sieht sie kaum noch, was sich in der Bahn abspielt. Aber sie kennt die einzelnen Passagen ja schon. Ist es Zufall oder hat er es wirklich auf sie abgesehen? Sie hat wirklich keinen Bock auf ihn! Und schon gar nicht vor aller Augen! Sie schaut zu dem Spiegel hinüber, in dem sich die ganze kerzenerleuchtete Atmosphäre der weihnachtlichen Halle fängt. Eben reitet in majestätischer Haltung Harald vorbei, nickt seinem Spiegelbild und den dahinter sitzenden heimlichen Zuschauern fast unmerklich zu. Alexa steht wie vom Donner gerührt. Wenn ich hier den Spiegel sehen kann, sehen die auch mich und Michael, denkt sie. Das braucht sie nun wirklich nicht. Sie sieht schon Flavios spöttisches Stirnrunzeln und hört ihn »Na, gibt’s da etwa einen Lover?« sagen. Sie machtsich in ihrer Ecke noch kleiner, doch der Druck auf ihren Schultern bleibt. Bloß schnell weg!
»Machst du mal Platz, Michael, ich muss ganz dringend!«, flüstert sie Michael zu und versucht, nach hinten freizukommen.
»Psst«, macht Irene und schubst sie.
Der Arm liegt immer noch auf ihr. Ja, verflucht, das gibt’s doch nicht.
»Mensch, lass mich doch los – Michael, hörst du nicht, ich muss mal!«
»Halt endlich die Klappe«, raunzt Irene und schiebt ihren Kopf noch ein bisschen weiter vor.
Platzangst ergreift Alexa und nun duckt sie sich nach hinten weg und bricht aus.
»Blödes Stück«, schimpft Irene, aber die Reihe schließt sich schnell wieder hinter ihr. Nur Michael steht etwas irritiert da.
Inzwischen schließt Alexa aufatmend die Toilettentür hinter sich. So eine blöde Situation. Ausgerechnet jetzt muss er sich so aufspielen! Sie wäscht sich die Hände und betrachtet sich im Spiegel.
»Was guckst du denn so grimmig«, fragt sie ihr Spiegelbild, schneidet Grimassen und versucht dann ein Lächeln.
Schlechte Laune hast du heute ja wohl als Letztes nötig, schilt sie sich und streckt sich die Zunge heraus.
»Mein Gott«, fährt es ihr in den Sinn, wenn hinter diesem Spiegel hier auch einer sitzt?
Schallender Applaus erlöst sie aus ihrer Lage. Sie stößt die Tür auf und eilt in den Stall. Die anderen sind schon aufgesessen.
»Menschenskind, wo bleibst du denn?«, schnauzt Peter sie an.
Er, der sonst nie auch nur ein Wort an sie richtet.
»Mach schnell«, ruft ihr auch Friedhelm zu.
»Tut mir leid«, brüllt sie, während sie sich an den
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