Alexa, die Amazone – Die große Chance
wissen, dass niemand dahinter sitzt, und die »Überraschung« schon mit anschaut.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
Alexa verliert die Nerven
Harald lässt einige Cavaletti aufbauen. Pferde und Reiter sind konzentriert. Kein Pullen, keine Heftigkeit. Aufmerksam – fast schon besonnen, gehen die Pferde die kleinen Sprünge an. Zwei Durchgänge, das reicht.
»Okay, durchparieren. Bringt eure Pferde raus, kommt gleich zum Aufbauen zurück. Und zwar schnell!«
Harald steigt als Erster ab, und gibt seine Stute Klaus, der wie immer bereit steht.
Schon wendet er sich ab, in Gedanken bereits beim Hindernisaufbau, da fällt ihm noch etwas ein.
»Ach, Klaus!«
Klaus hält die Stute noch mal an.
»Ja?«
»Übrigens ...« Harald geht ein paar Schritte zu ihm zurück. »Siebold wird dir morgen eine Reitstunde geben!«
Siebold weiß zwar noch nichts von seinem Glück, denkt er und dreht sich dabei wieder um, um endlich aufzubauen. Trotz der schnellen Wendung entgeht ihm Klaus’ Miene nicht. Vor Überraschung und übermäßiger Freude bleibt ihm der Mund offen stehen und Tränen schießen ihm in die Augen.
»Danke«, presst er endlich hervor, aber Harald ist schon an der Bandentür zum Hindernisraum. Vielleicht hatte Alexa doch recht, denkt der berühmte Springreiter, während er die Riegel zurückschiebt. Und ein bisschen tut ihm Klaus’ Freude selbst gut.Zwanzig vor vier sind die ersten Gäste da. Die Tribüne füllt sich rasch. Mit warmen Decken, eingehüllt in dicke Mäntel, drängen sich Besucher aus dem Dorf in der ersten Reihe. Wer sich auskennt, ergattert sich einen Platz im Reiterstübchen. Anscheinend kennen sich viele aus, denn das Stübchen ist schnell hoffnungslos überfüllt. Das Struckat-Weihnachtsfest hat einen guten Namen.
Horst Reinhard, in der Rolle des Tonmeisters, legt eine CD mit feierlicher Musik auf. Die Beleuchtung wird gedämpft, nur die bunten Kugeln an den Tannenzweigen, die die Halle schmücken, schimmern noch matt.
Fünf Minuten vor vier. Sitzplätze sind keine mehr zu haben. Und noch immer strömen Leute herein. Klaus geht mit einem Feuerzeug in die Halle, zündet die Kerzen an, die auf den Kegeln bei den Hindernissen stehen.
Drei Minuten vor vier. »Ihr Kinderlein kommet ...« schallt es aus den Lautsprechern. Die, die jetzt noch kommen, finden kaum noch einen Stehplatz.
Punkt vier überfällt Kosakenmusik die Akustik. Die hintere große Flügeltür fliegt mit einem Knall auf. Direkt aus der Dunkelheit springen acht Pferde über ein Hindernis dicht an der Tür in die Bahn. In atemberaubenden Tempo jagen die Pferde durch die Halle, formieren sich zu Figuren, lösen sie ebenso schnell wieder auf, springen zu zweit, zu dritt, zu viert gegeneinander und miteinander über die Hindernisse, die Reiter in roten Kosakenhemden, mit breiten Gürteln und dicken Fellmützen tief über die Hälse ihrer Pferde gebeugt. Die Musik bäumt sich zum Finale auf, zu acht springen die Pferde nebeneinander über das kreuzförmig aufgebaute Hindernis zum Ausgang hin. Der Luftzug lässt die meisten Kerzen verlöschen, rasend schnell fädeln sich die Reiter ein, springen durch das geöffnete Tor in die Nacht hinaus, die Musik verstummt.
Donnernder Applaus folgt ihnen. Kurt stößt Flavio an und grinst. Siebold atmet auf und legt Haralds Kugelschreiber, den er eben gewaltsambearbeitet hat, auf den Schreibtisch zurück. Karin Birk dreht sich zu ihrem Mann um, der vor der großen Scheibe auf Haralds Schreibtisch sitzt, und sagt stolz:
»Hast du gesehen? Das war unsere Tochter!«
Kurt grinst.
»Eure Tochter und mein Hengst! Eine Teufelsmischung!«
»Das war Chicolo?« Auf das Pferd hatte Karin gar nicht so geachtet. »Aber wie kann sie denn ... er ist doch eben erst angekommen?«
»Sie kann halt«, freut sich Kurt, und der Stolz jagt ihm wie Feuerwasser durch die Adern.
»Trotz allem«, seufzt Karin. »Es ist natürlich ein traumhaftes Bild – und ich bin auch stolz auf sie, aber irgendwie ängstigt mich genau das. Hoffentlich hat sie noch was anderes im Kopf als Pferde, Pferde, Pferde!«
Während in der Halle schnell abgebaut wird, hält Harald mit drahtlosem Mikrofon auf Ariane eine kurze Ansprache. Begeisterungsrufe begrüßen die beiden beim Einritt. Harry Birk beobachtet ihn genau. Er ist so etwas wie das Maskottchen der ganzen Gegend, denkt er. Eine Symbolfigur, die viel Verantwortung auf den Schultern trägt. Der Knecht seines großen Namens.
Weitere Kostenlose Bücher