Alexa, die Amazone – Die große Chance
Pferdeleibern entlangquetscht.Klaus, der gute Klaus, hat ihren Chicolo schon eingereiht. Sie braucht bloß noch aufzusitzen.
Kaum ist sie oben und schlüpft aufatmend in die Steigbügel, schreit sie von hinten der Schönling an: »Sag mal spinnst du? Mensch, du hast dich noch nicht mal umgezogen! Du hast ja noch den roten Kittel an!«
Tausend Nadeln jagen durch Alexas Kopf.
»Schnell, wo hast du deinen schwarzen Rock? Und den Zylinder?«, ruft Klaus, schon in den Startlöchern.
»Im kleinen Aufenthaltsraum«, brüllt Alexa ihm nach, den Tränen nahe.
Tatsächlich, sie sitzt als Einzige im roten Kosakenhemd auf dem Pferd und will jetzt gleich eine Dressurquadrille reiten. Das ist ein Albtraum, das kann einfach nicht wahr sein, gleich wache ich auf! Aber darauf verlassen will sie sich auch nicht. Sie beginnt hastig, das Hemd aufzuknöpfen, da hört sie, wie draußen das Tor aufgestoßen wird.
»Einreiten«, schallt Siebolds bärbeißige Stimme durch die Stallgasse.
Mein Gott, Klaus, mach schnell, betet Alexa und hofft gleichzeitig inbrünstig, dass Siebold sie so nicht sieht.
»Das ist die Strafe«, denkt sie und spürt die ersten Tränen. Die Tete setzt sich schon in Bewegung.
Chicolo, durch die Panik angesteckt, beginnt unruhig zu trippeln. Einen Moment lang überwältigt Alexa fast der Gedanke abzusitzen und sich zu verstecken. Am besten gleich abhauen, irgendwohin – bloß weg. Wo bleibt denn Klaus?
Schon reitet auch ihr Vordermann los.
Und jetzt? Sie kann doch nicht zwischen ihren schwarzgekleideten Kameraden im roten Kosakenhemd einreiten? Sozusagen als Farbklecks – und dann noch mit offenen Knöpfen und flatterndem Plastron.
Wenigstens muss ich es zumachen, sagt sie sich und beginnt mit der linken, nervösen Hand, zuzuknöpfen, während die Rechte Chicolo kurz hält. Aber jetzt muss sie auch anreiten – alles zu spät ...
Wenige Meter vor der alles entscheidenden Flügeltür kommt ihr Klaus entgegengerannt. Er schwingt die schwarze Jacke so, dass Sandokan vor ihr einen entsetzten Satz zur Seite macht. Sein Reiter flucht. Alexa reißt sich das rote Hemd vom Leib, der eine Knopf, den sie fast schon wieder zu hatte, fliegt in hohem Bogen auf die Stallgasse. Mit fliegenden Bewegungen schlüpft Alexa in die Jacke, schafft es noch, den obersten und den mittleren Knopf zu schließen, stülpt den Zylinder auf den Kopf und ist wenige Sekunden später auf der Torschwelle. Dort nimmt sie die Zügel auf und dirigiert Chicolo nach rechts, linke Hand.
Linke Hand? denkt sie im nächsten Augenblick und glaubt, ohnmächtig vom Pferd fallen zu müssen, falsch! Ich hätte doch rechte Hand müssen!
Fiebernd ist ihre erste Reaktion, zu wenden und sich in der anderen Abteilung einzureihen. Doch da erkennt sie Achat vor sich.
Schon richtig, denkt sie und versucht sich und Chicolo zu beruhigen, in der Springquadrille musste ich rechte Hand. Alles in Ordnung, sagt sie sich und beobachtet im Spiegel, wie sich der Rest der Gruppe beim Einreiten systematisch nach rechts und links aufteilt.
Alles in bester Ordnung, sagt sie sich nochmals und versucht, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren. Jetzt bloß nichts falsch machen. Ihre ganze Familie schaut zu.
Es klappt. Alles klappt. Die ganzen, verwickelten Figuren, die Siebold ausgebrütet hat, lösen sich immer wieder, jeder Gordische Knoten entwirrt sich wie von selbst. Nichts geht schief, selbst der Stern, den die Pferde mit ihren Körpern in die Mitte der Bahn zeichnen, gelingt. Mühelos zieht sich der Kreis enger, harmonisch drehen und biegen sich die Pferde, keines bricht aus. Fast als spürten sie die besondere Stimmung oder als würde das flackernde Kerzenlicht ihre übermütigen Sprünge dämpfen. Pfeilförmig und genau zum Schlussakkord bleibt die Quadrille zum Gruß stehen. Donnernd setzt der Applaus ein. Aufatmendschließt Alexa die Augen. Es ist noch einmal gut gegangen. Teufel noch mal, das war wirklich knapp.
Strahlenförmig trifft sich die Quadrille auf der Mittellinie und reitet schwungvoll durch die weit aufgerissene Flügeltür hinaus.
In der Stallgasse gleitet Alexa erschöpft von Chicolo.
»Das kann ich dir sagen, das kostet dich nicht nur eine Runde, das kostet gleich eine ganze Wagenladung!«, ruft Irene ihr zu.
»Eine Kiste Sekt ist wohl das Mindeste«, gibt das Pickelgesicht seinen Senf dazu.
»Puh!« Alexa lehnt sich kraftlos an die Gitterstäbe einer Box.
»Die Kiste Sekt hätte höchstens der Klaus verdient«, sagt sie müde und muss sich
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