Alexa, die Amazone – Die große Chance
ganze Bahn. Im Außengalopp galoppiert er dann um Sabine herum. Demonstrativ gibt er der Stute die Zügel, hält sie wirklich nur noch am kleinen Finger. Wie aufgezogen galoppiert das Stütchen weiter, senkt den Kopf etwas auf der Suche nach der verloren gegangenen Anlehnung, lässt sich dadurch aber kein bisschen aus dem Takt bringen. Alexa staunt. Sabine senkt den Kopf wie ihre Stute.
»Na?«, dröhnt der Bass des Seniors durch die Bahn. Sabine weiß keine Antwort, sie bemüht sich auch gar nicht, eine zu finden. Was gibt es darauf noch zu sagen?
Ihre Stute fliegt im starken Galopp an ihr vorbei. Weit greift sie aus, graziös setzt sie die Beine, ein herrliches, stolzes Bild. Ohne sichtbare Anstrengung pariert ihr Reiter sie aus dem erhöhten Tempo durch. Genau vor Sabine kommen sie zum Stehen.
»Ist das so schwer?«, kommt zackig laut die Frage.
»Für mich schon«, folgt schüchtern leise die Antwort.
»Unsinn, die Stute macht das von ganz alleine. Du musst ihr nur den richtigen Weg zeigen.«
Während die beiden ihre Pferde wieder wechseln und Siebold seiner Schülerin erklärt, worauf sie in Zukunft besser achten soll, konzentriert sich Alexa auf die sechs anderen Reiter. Eine junge Frau fällt ihr auf. Ihre dichten kurzen Haare wippen weich zum Schritt ihres Braunen. Es wirkt lässig, wie sie auf ihrem Pferd sitzt, und doch stimmt ihre Haltung bis ins kleinste Detail. Der federnde, tiefe Absatz fällt Alexa besonders auf und der selbstbewusst erhobene Kopf.
»Irene Liertz, eine Deutsche Meisterin in spe«, informiert Gerolf.
»Ist sie so gut?«, flüstert Alexa zurück.
»Vize war sie schon. Aber vor allem hat sie Mut und Durchsetzungsvermögen, du wirst sie kennenlernen. Aber ...«
»Na also, es klappt doch, siehst du, du musst nur wollen!«, fährt die donnernde Stimme des Reitlehrers dazwischen. »So, und jetzt schlagt alle die Bügel über, und dann antraben!«
»Aber?«, greift Alexa den Faden wieder auf. »Was wollten Sie sagen? Aber ... ?«
»Aber was?«, fragt Gerolf verständnislos zurück.
»Wegen Irene ... wie hieß sie noch? Sie sagten, ich würde sie noch kennenlernen, aber ...«
»Nun, du wirst sie kennenlernen.«
Die knappe Antwort lässt Alexa verstummen.
Dein Bruder ist aber um einiges netter, denkt sie, und schaut nach unten. Sabine hat sich wieder eingegliedert. Das Donnerwetter ist vorüber,Alexa kann Sabines Erleichterung förmlich spüren. Den Reiter vor Sabine erkennt Alexa jetzt auch. Es ist ihr schwarz gekleideter Tischnachbar von gestern. Überhaupt, so nach und nach erinnert sie sich an jedes Gesicht. Der Pickeltyp ist ebenfalls dabei, stellt sie fest. Und direkt hinter dieser Spitzenreiterin hält das athletische Grünauge auf Abstand.
»An der nächsten langen Seite reiten wir Travers. Was fällt dir dazu ein ... Frank?«
Frank heißt das »Grünauge« also, merkt sich Alexa, als sie sieht, an wen die Frage gerichtet ist.
»Die Vorhand des Pferdes bleibt auf dem Hufschlag, die Hinterhand wird durch Schenkel- und Gewichtsverlagerung in die Bahn hineingeführt. Die Abstellung vom Hufschlag beträgt etwa dreißig Prozent, sowohl die Vorder- als auch die Hinterbeine kreuzen.«
»Halt! Abteilung halt!«, kommt Hans-Ulrich Siebolds Antwort.
Die Pferde stehen, etwas verblüfft schaut Frank zu seinem Lehrer, der versammelt auf ihn zugaloppiert und dann ein paar Meter vor ihm durchpariert.
»Drei Stichworte, was? Damit willst du einem Anfänger das Reiten erklären? Es gibt in der Reitersprache keine Geheimsprache. Und du brichst dir keinen dabei ab, wenn du hier ausführlich erklärst, wie Travers geritten wird. Also, darf ich bitten?«
Frank holt kurz Luft und fängt mit klarer, deutlicher Stimme von vorn an.
»Travers gehört zu den Seitengängen. Es ist eine Vorwärts-Seitwärtsverschiebung des Pferdes, deren Voraussetzung die Versammlung ist. Das Pferd wird nach dem Durchreiten der Ecke um den inwendigen, am Gurt liegenden Schenkel gebogen. Der Reiter belastet vermehrt seinen inneren Gesäßknochen und fasst den inneren Zügel nach, der das Pferd stellt. Der innere Schenkel sorgt für die Rippenbiegung des Pferdes und auch für den gleichmäßigen und fleißigen Vortritt des inneren Hinterbeines.Der äußere, verwahrende Zügel gibt leicht nach und begrenzt die Stellung des Pferdes. Insgesamt bewegt sich das Pferd auf vier Hufschlaglinien. Bei der Beendigung wird die Vorhand auf die Hinterhand eingerichtet, danach wird das Pferd auf den ersten Hufschlag
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