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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Koch, wenn er kocht? Ist er nicht auch Koch, wenn er schläft oder badet?«
    Attalos, ein schlanker, drahtiger Junge, den man wie Hephaistion für einen Bruder Alexanders hätte halten können, lächelte ein wenig spöttisch. » Ich glaube, du verwechselst Sein und Zweck. Der Koch ist ein Mensch; sein möglicherweise selbstgewählter Zweck ist es, für andere zu kochen. Die Säule dagegen ist Säule.«
    Alexander schüttelte den Kopf. » Wenn sie nichts mehr trägt, sondern nur im Wald herumsteht und gafft?« Er lachte. » Dann sieht sie aus wie eine Säule, unterscheidet sich aber nur äußerlich von einem Obelisken.«
    Aristoteles grinste, sagte aber nichts.
    Neoptolemos hatte ihn beobachtet. » Was belustigt dich, oFürst der Weisen?«
    » Eine Erinnerung, meine jungen Freunde. Die Erinnerung an etwas, das Pythias sagte.«
    » War es das, worüber du so gelacht hast?«
    » Mhm. Sie empfahl mir heute früh, in Fortsetzung einer ersprießlichen Schlaflosigkeit, gewisse Eigenarten des Daseins etwa in Form eines Obelisken zu erörtern. Aber zurück zur Freiheit. Und zum Sein. Die Säule ist niemals frei, denn Freiheit findet nur da statt, wo es Entscheidung gibt. Säulen können sich nicht entscheiden– Köche dagegen durchaus. Es ist aber immer eine Entscheidung zur Unfreiheit. Zu einer eingeschränkten Form von Freiheit, jedenfalls. Zügellosigkeit und Freiheit können nicht gemeinsam gedeihen, denn Freiheit ist die Anwendung der Tugend; Zügellosigkeit ist der Tugend Feindin. Der Krieger, der nur deshalb kämpft, weil man es ihm befiehlt, ist nichts als ein Sklave des Befehls. Tugend wohnt in dem, der kämpft, weil er die Notwendigkeit sieht und mit Freude das anstrebt, was die höchste Tugend der Freien ist– der Kampf zur Wahrung der eigenen Freiheit. Ein Sklave kann in Zügellosigkeit schwelgen; dabei wird er nur alle Tugend verlieren und doch nie Freiheit gewinnen. Unter der Herrschaft eines Tyrannen, der seinem Volk die Entscheidung für die Tugend oder die Untugend abnimmt, kann es daher keine Tugend geben und auch keine Freiheit, nur Sklaverei.«
    Mylleas blickte Alexander von der Seite an. » Tugend und Tyrannen– ist für einen Athener nicht jeder König ein Tyrann? Heißt das, Demosthenes zufolge, daß die Untertanen von König Philipp ebenso tugendlos sind wie die Bewohner Persiens?«
    Alexander hob die Brauen, schwieg aber.
    Aristoteles wartete; als niemand etwas sagte, seufzte er. » Nicht jeder Monarch ist ein Tyrann. Euer König, der Herrscher Makedoniens, ist stärker an die Mitwirkung des Volks gebunden als die Politiker von Athen– zumindest in vielen Hinsichten. Bei großen Ereignissen muß er die Versammlung aller Waffenfähigen befragen. In Athen war das Stimmrecht lange abhängig vom Vermögen, von Reichtum. Vielleicht ein Zehntel aller Bewohner Athens, aller erwachsenen Bewohner Athens, ist stimmberechtigt. In Makedonien sind sozusagen alle erwachsenen Männer stimmberechtigt. Und Athen treibt das Stimmrecht gelegentlich zu weit, indem auch Dinge, für die bestimmte Kenntnisse notwendig sind, der stimmberechtigten Menge zur Entscheidung vorgelegt werden. Rechtshändel werden entschieden durch Abstimmung unter Leuten, die vielleicht kein Rechtsempfinden und keine Rechtskenntnisse haben. Strategen werden gewählt von Leuten, die weder selbst strategische Fähigkeiten besitzen noch diese bei anderen beurteilen können. Nein, nicht jeder Monarch ist ein Tyrann. Philipp kann nicht seine Fürsten und Heerführer wie Sklaven handhaben; sie sind freie Männer, und alle wichtigen Entscheidungen des Königs müssen von der Versammlung gebilligt werden. Sonst, meine jungen Freunde, fehlt diesen Entscheidungen die Tugend, die allein Gültigkeit verleiht. Wir stehen in der gleißenden Mittagssonne des Verstands und der Verantwortlichkeit; es ist keinerlei Zwielicht, keine schattige Nische für uns vorgesehen– freie tugendhafte Männer verbergen sich nicht. Dies ist es, wofür unsere Vorfahren gekämpft haben, wovon Homer in unsterblichen Versen sang, worüber die besten Philosophen sprechen. Es ist fern von allem, was Perser und andere Barbaren tun, die blind ihren Führern folgen– die keine Tugend besitzen– die wie Sklaven sind, ohne Sklaven zu sein– die wie tot sind, aber untot. Wir, meine jungen Freunde, sind Menschen; jene sind wie Vieh.«
    » Kann es denn nicht auch tugendhafte Barbaren geben? Edle Perser zum Beispiel– Menschen?«
    Aristoteles musterte Alexanders Gesicht; es war

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