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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Teil des Heeres. Es gehörte zu seinen Aufgaben, die Wachen im Palast zu überprüfen. Er hatte dies getan, gründlich und mit Einfallsreichtum Anweisungen erteilt, öde Gänge durchwandert, einen ungenutzten Raum betreten, die Fensteröffnung vorsichtig erkundet– niemand konnte diesen Teil des Gebäudes sehen; dann war er auf den äußeren Sims gestiegen und nach kurzer Kletterei in einem anderen Fenster verschwunden.
    Olympias wußte, daß alle wußten, daß Philipp vor vielen Jahren aufgehört hatte, der Königin Bett zu beehren, oder zu besudeln. Alle wußten, daß Olympias bisweilen tagelang aus dem Palast verschwand, um die Zeit in einem entlegenen Haus zu verbringen, das Aristandros dem Seher gehörte– ein Haus auf einem Hügel, über einer Höhle, in der Dionysos gefeiert wurde. Keiner wußte genau, was bei diesen Feiern geschah, außer den Eingeweihten, die nicht darüber redeten. Niemand wußte, wie die leidenschaftliche Königin mit dem Hunger des Fleisches verfuhr. Pausanias würde gedürstet, gehungert und gelitten haben, fern von Pella; Olympias mochte herrisch und hochfahrend sein, herrschsüchtig und hart, aber sie war unvergleichlich und setzte ihre Mittel ein. Er war süchtig; sie genoß es und wußte, daß es ihm auch beim nächsten Treffen nicht gelingen würde, die Maske der Königin zu durchschauen. Selbst im Moment der höchsten Lust war das Gesicht beherrscht.
    Sie redeten nicht viel; sie erschöpften einander in der Zeit, die Pausanias erübrigen konnte, ehe man ihn vermissen würde. Sie hatten nie viel geredet; irgendwann hatte er versucht, ihr sein Inneres zu entblößen, aber sie war mit seinem Äußeren zufrieden. Sie kannte die Geschichte der Schmach, seinen Haß auf Attalos und Kleopatra; sie hatte ihm versprochen, mit einem kalten Lächeln, ihm zur Rache zu verhelfen, seine Ehre wieder herzustellen, sobald es möglich (und nötig) sein würde– gegen seine Treue, seine Dienste, sein Schweigen und die gelegentliche Nutzung seines Fleischs.
    Als sie erschöpft nebeneinander lagen, berichtete er kurz von den Dingen, die sich in Thrakien ereignet hatten. Er hätte vielleicht lieber von anderen Dingen geredet, von Gefühlen und Gier, aber sie hatte ihn wissen lassen, daß ihr daran nichts lag.
    Als er verschwunden war, wieder durch das Fenster, ließ Olympias den gealterten, ergebenen Admetos kommen, der von Vorgängen in Pella und im Palast erzählte. Sie entließ ihn bald, stand eine Weile am Fenster, starrte über die Mauern, beugte sich dann vor. Unter dem Sims hatte eine Spinne ein verwickeltes Netz erschaffen. Olympias sah zu, wie die Spinne sich einer Fliege näherte, die längst nicht mehr zappelte. Sie hauchte einen Kuß hinab. » O Schwester«, murmelte sie, » du bist– sehr gut. Aber mein Netz ist besser.«
    Sie verließ ihre Gemächer, hieb mit der flachen Hand gegen die Wand, die den Gang versperrte, wandte sich nach links, ging an den Wachen vorbei, öffnete in einem entlegenen Gang eine Tür und betrat einen Raum, in dem Gerümpel stand. Sie verschob nichts von alledem, stieg über zerbrochene Einrichtungsgegenstände und kletterte auf den äußeren Sims. Rechts, in einem Winkel des Mauerwerks, verlief eine Röhre senkrecht. Sie nahm an der Dachkante Regenwasser auf; ein Stockwerk tiefer war das kopron von Philipps Beratungsraum angeschlossen. Die Begrüßungen mußten inzwischen vorüber sein; der König würde sich gereinigt und erfrischt haben und nun zu den wichtigen Dingen kommen. Olympias preßte das Ohr an die Röhre.
    » Also, wie ist es gewesen?« Philipps Stimme klang gelassen.
    Parmenion antwortete, mit einem leisen Glucksen. » Alles bestens. Aristoteles hat die Dinge sehr gut vorbereitet. Hermias ist mit allem einverstanden.«
    Philipp, mit verhaltenem Triumph: » Häfen, Straßen, Vorräte, alles? Notfalls auch sein Heer? Wunderbar.« Er kicherte. » Wenn Artaxerxes das wüßte…«
    Olympias lauschte noch einige Momente; dann kehrte sie in ihre Gemächer zurück, setzte sich an den Tisch und dachte lange nach. Schließlich verzerrte sich ihr Gesicht zu einer scheußlichen Maske; sie begann zu schreiben. Dabei murmelte sie: » Demosthenes wird begeistert sein.«
    Als sie fertig war, ließ sie abermals Admetos kommen. » Hier.« Sie reichte ihm die versiegelte Briefrolle. » Für meinen Onkel Arybbas, der bisweilen unterrichtet werden möchte– an seinem Zufluchtsort. Wie ich hörte, sind Kaufleute aus Athen in Pella.«
    Admetos verneigte sich. » Ich

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