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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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weil es sie nicht gab.
    Er wußte nicht, wieviel Zeit verstrichen war, als er endete und die Kithara sinken ließ. Nach einem Moment der Stille bebte die Schänke von Getrampel, Fußscharren, Klatschen und Fäusten, die auf Tischplatten hämmerten.
    Dymas öffnete die Augen, lächelte, neigte den Kopf und glitt vom Tisch. Er wußte, daß es gut gewesen war, und daß man ihn dafür aus den besseren Kreisen Athens ausgestoßen, ihm in Sparta die Kithara zerbrochen hätte. Eine der beiden Nubierinnen, die vorher oder zwischendurch auch als Schankmägde arbeiteten, brachte ihm einen großen Becher mit unverdünntem Wein.
    » Von der Alten«, murmelte sie.
    Er nahm den Becher, hob ihn und blickte zur Greisin hinüber; sie winkte ihm. Langsam ging er an ihren Tisch; der Schwermütige schob ihm einen Stuhl hin.
    » Ich danke dir, Mutter, und trinke auf dein Gedeihen.«
    Die Alte kicherte. » Nicht viel Gedeihen, Musiker. Die Zeit meines Gedeihens ist vorbei. Aber du… Warst du schon einmal in Kanopos?«
    Er schüttelte den Kopf. » Nur angelegt, auf der Fahrt hierher. Eine Nacht, frisches Wasser, dann weiter.« Die Stadt an der Mündung des westlichen Nilarms, an dem auch Naukratis lag, war der erste Anlegehafen, Stapelplatz ohne königliche Verwalter, ein Gewirr aus alten und neuen Gebäuden, Tempeln und Freudenhäusern, Banken und Schänken. Dort gab es Ägypter, Hellenen, Juden, Phönikier, Karchedonier, Etrusker, Elymer, Iberer, Kelten– alle seefahrenden Städte und Völker der Oikumene, alle Sprachen, alle Münzen und kein Gesetz.
    » Du solltest nach Kanopos kommen.«
    » Warum, Herrin des Weins?«
    » Die besten Schänken, Dymas. Die besten Musiker, ohne priesterliche Aufsicht; alle Waren, die von und nach Naukratis durch Kanopos gehen, aber ohne Zöllner. Gaukler, Dichter, Wahnsinnige, Messerstecher, das Leben. Was willst du hier, in diesem öden Kaff?«
    » Was machst du in Kanopos? Bist du von dort?«
    Die Alte zerrte an ihrer Wollmütze, als müsse sie die ohnehin unsichtbaren Ohren noch mehr verhüllen. » Sag du es ihm.« Sie stieß die junge Frau mit dem Ellenbogen an.
    » Es gibt dort ein großes altes Haus, aus Steinen, am Meer neben der Mündung.« Ihre Stimme war rauh und doch weich, kehlig und doch hell, wie ein in kostbares Tuch gewickeltes Messer. » Vielerlei Geschäfte, auch Nachrichten aus der ganzen Oikumene. Einige Räume im Haus sind ungenutzt, viele Rollen zu lange nicht gelesen. Man kann dort kommen und gehen– vor und nach der Musik und anderen Dingen.« Ihr Hellenisch war makellos wie die Zähne.
    Dymas riß sich von den schwarz-grün gesprenkelten Augen los und sah, daß die Alte ihn mit einem listigen Lächeln beobachtete. Der schwermütige junge Mann starrte an die Decke; aus dem Augenwinkel, den Dymas sehen konnte, rannen Tränen.
    » Seewind, Junge«, sagte die Greisin. » Salz und Tang. Gerüche und Gerüchte. Messer und Musik. Wir fahren morgen früh.«
    Dymas kratzte sich den Kopf. » Kann ein Musiker dort leben?«
    » Besser als hier– du jedenfalls. In Kanopos kann man das Gute vom Schlechten unterscheiden, und vom Sehr Guten. Du bist besser als sehr gut. Was willst du hier?« Dann beugte sie sich vor und flüsterte: » Dort wärst du auch nicht weiter fort von gewissen anderen Dingen, als du es hier bist.«
    Er zuckte zusammen. » Welche anderen Dinge?«
    Sie blickte in der Schänke umher. » Soll ich dir sagen, wer von diesen Männern hier den Pharao mit Nachrichten versorgt? Ich sehe zwei, die für die Perser arbeiten und in zwei Atemzügen tot wären, wenn die Ägypter es wüßten.«
    Bei der Erwähnung der Perser hatte sich ihr Gesicht einen Moment verzerrt; der Schwermütige trocknete die Tränen und entblößte die Zähne.
    Dymas nahm einen großen Schluck, hustete und wischte sich den Mund. » Wer bist du, Mutter?«
    Sie lächelte mehrdeutig. » Eine alte Frau, die gewisse Geschäfte macht und gern Freunde in der Nähe hätte, da gewisse Freunde in der Ferne nicht immer ausreichen. Zumal ein guter alter Freund vor kurzem gestorben ist.«
    Dymas hielt die Luft an, sagte aber nichts.
    » Adherbal.« Sie murmelte. » Und Demaratos weiß, daß du hier bist. Was das angeht, ist Kanopos weder näher noch weiter.«
    In Kanopos begann und endete der westliche Teil des Nilhandels; Ägyptens Handel mit den westlichen Ländern der Oikumene wurde über Kanopos abgewickelt. Hier begannen und endeten die großen Karawanen nach dem Westen, Kyrene und Karchedon; Küstenboote brachten

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