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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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eine Münze mit einer Seite?«
    Aristoteles betrachtete ihn; die Augen des alten Mannes glühten. » Wörter, die nicht oft genug von allen Seiten beschaut und befragt werden, verlieren für den, der sie verwendet, am Ende ihre Vielfalt. Sie zeigen ihm nur noch die eine Seite, die er sehen will, und schließlich glaubt er selbst, sie hätten nie eine oder mehrere andere gehabt. So hat sich Platon in einem Wortlabyrinth eingemauert– ärmliche Steine, die von außen keinerlei Form, Farbe und Verstand zeigen. Nur dem, der ins Labyrinth geht, zeigen sie ihre Prägung; aber diese Prägung war nicht in den Dingen, sondern sie stammt von Platon. Sie ist unnütz, sie mehrt das Wissen nicht, und es ist sehr schwierig, das Labyrinth wieder zu verlassen. Viele sehen nie wieder Sonne, spüren nie wieder frischen Wind. Nein, es taugt nicht. Es ist wie Nahrung, die ein anderer für dich gekaut hat.«
    Peukestas schwieg; er starrte den alten Mann an.
    Aristoteles schloß die Augen. Leise, fast murmelnd sagte er: » Sokrates hat den Platz, auf dem wir alle stehen und vergehen, mit gewaltigem Besen von Gerümpel und Trümmern gereinigt. Damit das gleißende Licht der Mittagssonne alles erhellt, ohne Schatten, ohne Ritzen, in denen man sich vor dem Verstand verbergen kann. Er hat Mittagsfragen gesprochen, blendend hell und stechend. Fragen ohne Schatten, ohne Versteck. Er hat Wörter gesprochen, die Steine mit tausend Seiten waren, und er hat diese Steine von allen Seiten betrachtet, hat sie gedreht, daß alle alles sehen konnten. Dann hat er die Steine in die Luft geworfen, und sie sind Teil des gnadenlosen Mittagslichts geworden.«
    » Und Platon?« sagte Peukestas halblaut.
    » Platon? Platon hat vieles von dem alten Schutt wieder auf den Platz geholt. Und er hat neue Steine gesprochen– Ziegel, mit sechs Seiten statt tausend. Fünf Seiten hat er verwischt, bis nur auf einer Seite Sinn blieb. Aus diesen Steinen hat er sein Labyrinth errichtet, in dem es Schatten gibt und Winkel, um sich zu verkriechen. Dort staut sich die Luft, und das Mittagslicht wird verdunkelt.«
    » Und was hat Aristoteles mit seinen Steinen gemacht?«
    » Ah, es gab einmal einen Mann, der so hieß. Nur eine leere Hülle ist geblieben. Als er noch Steine sprechen und heben konnte, hat er sie umgedreht und von allen Seiten betrachtet. Er hat sie nach Größe, Beschaffenheit und Eigenschaften geordnet und sie aufgestapelt an einer Stelle, wo sie niemanden stören können. Er hat bis zuletzt nicht gewußt, ob es den Menschen möglich ist, ungeschützt auf dem gleißenden Platz zu stehen, die Wucht der Mittagssonne zu ertragen und das Licht zu sehen. Wenn Aristoteles klüger gewesen wäre, wenn er länger gelebt hätte, hätte er vielleicht die gestapelten Steine in den Himmel geworfen– wie Sokrates. Oder er hätte am Ende beschlossen, daß ein lichtes Gebäude mit sehr wenig Schatten dem Menschen zuträglich wäre. Ein Gebäude aus beweglichen Steinen, die auf jeder Seite unverwischten Sinn tragen.« Er stützte sich auf einen Ellenbogen. » Aber er war nicht klug genug, oder er ist zu früh gestorben. Vielleicht war er auch nur nicht genügend verzweifelt, um ein solches Schutzgebäude gegen das Licht zu errichten. Deshalb, Sohn Drakons, mag ich dir keine fertigen Bilder einflößen, selbst wenn ich die Kraft noch hätte. Laß uns reden– laß uns Steine sprechen und umdrehen. Wenn du meinst, du müßtest daraus ein Gebäude errichten, einen Tempel, in dem du deine Erinnerung an Alexander unterbringen und die Welt vergessen kannst, mußt du es selbst tun, allein, nachdem ich nicht mehr da bin. Steine, die ich selbst gesehen und gewendet oder von denen ich gehört habe. Sobald alles getan ist, bleiben nur Wörter. Sie sind ohne Bedeutung, wenn du sie nicht wägst.«
    » Wie soll ich sie wägen, wenn ich ihre Bedeutung nicht kenne? Wie kann ich vermeiden, die Schale zu zerbrechen, wenn der eiförmige Stein auch ein Ei sein könnte?«
    Aristoteles schwieg ein paar Atemzüge lang; dann lächelte er beinahe tückisch. » In diesem Fall muß ich hier und da von meinen Grundsätzen lassen, fürchte ich. Ich sehe ein, daß du nicht nur wissen mußt, was Stein und was Ei, sondern auch, welches Ei gut und welches faul ist. Vielleicht stimmt das, was ich sage, aber nur für mich– nicht für dich, nicht für andere. Vielleicht habe ich eine Vorliebe für faule Rebhuhneier, die ich somit für gut erkläre, während sie dich zum Erbrechen reizen, da du frische

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