Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Beste erscheint, auch seinem Volk gewährt. Als Führer, Vater, Lenker, Bildner. Hermias hat es versucht; vielleicht ist er gescheitert, ich weiß es nicht. Vielleicht waren die Sterne und die Götter ihm nicht hold. Oder die Umstände. Aber dies, das Beste, die– Bestheit, die wir arete nennen, ist dies nicht die höchste Tugend, die anzustreben mehr wiegt als alles Gold und aller Kriegsruhm?« Er runzelte die Stirn; dann lächelte er. » Da ihr offenbar in der Laune seid, schweifenden Gedanken und schlechten Versen zu lauschen…
    Jungfer Arete, die du mit Mühsalen folterst die Menschen,
    aber zugleich das herrlichste Lebensziel bildest:
    Deiner Schönheit zuliebe
    strebt man in Hellas zum Tode sogar,
    nimmt gewaltige Plagen auf sich, ohne Rast.
    Solche Macht über Menschen hast du, ein Feuer, das niemals erlischt,
    stärker ist es als Gold, als der Wille der Eltern,
    als die Gewalt des wohlig blinzelnden Schlafes.
    Deinetwegen meisterten eifrig der zeusentsprossene Herakles
    und die Söhne der Leda vielerlei schwierige Pflichten,
    wollten deine Gunst sich ewig erringen.
    Sehnsucht nach dir trieb einstmals Achilles und Ajax hinab in den Hades;
    um deine Schönheit entsagte der Herr von Atarneus dem Glanze der Sonne.
    Lieder sollen hinfort seine Taten erhöhen,
    Mnemosynes Töchter, die Musen,
    mögen auf ewig ihn preisen: die Achtung,
    die er dem Zeus, dem Hüter der Gastlichkeit, zollte,
    seine Freundestreue, die, einmal gewährt, nimmer wankte.
    Aber dies alles ist, wiewohl aufrichtigem Brodeln entsprungen, doch nur leichtfertiges Anbändeln mit jener schönen Dämonin, die ihre Gunst Homer und Pindar gewährte. Soll ich vor ihr knien– nachdem ich über meine Versfüße gestolpert bin?« Er klatschte in die Hände. » Wenden wir uns wieder anderen Dingen zu. Prosa, Freunde.«
    An einem klammen, stürmischen Frühlingsabend erschien der König. Er hatte nur drei Begleiter bei sich; die übrigen waren in der Festung Beroia geblieben. Philipp war naß, müde und alt; die Furchen, die seit vielen Jahren sein Gesicht zu einem fruchtlosen Ackerland machten, waren zu tiefen Kerben und Rillen geworden und hatten sich vermehrt.
    » Ich brauche den Jungen. Und die meisten anderen auch. Wie macht er sich?« Der König stand vor dem Feuerkasten in Aristoteles’ Wohnraum. Während er sprach, wischte er mit einem Tuch über Haare und Gesicht, warf es auf den kleinen Tisch, rieb sich die Hände über dem Feuer. Pythias brachte Brühe, Braten und Wein; diesen Gast zu bedienen überließ sie nicht den Sklaven.
    Aristoteles goß Wein und Wasser in die Becher; er sah, wie Philipps Hände an Gurt und Schwert herumzupften. » Er ist fertig, wenn es das ist, was du wissen willst. Im Sommer wird er siebzehn. Natürlich hat kein Mensch je ausgelernt…«
    Philipp trat nach seinem Brustpanzer, der auf dem Boden lag; er packte den Helm, drehte ihn um, kratzte sich mit dem Helmbusch den Nacken. » Ist er– gut?«
    » Zu welchem Zweck?«
    Philipp bleckte die Zähne. Einige waren schwarz und verstümmelt, und im Oberkiefer klafften mehrere Löcher. » Weißt du, um was es geht? Hast du Gerüchte oder Nachrichten bekommen?«
    Aristoteles zuckte mit den Schultern. » Nachrichten– nein. Und Gerüchten mißtraue ich. Aber du solltest ein paar Tage mit Drakon verbringen. Deinem Arzt.«
    Philipp hob die Brauen. » Warum denn das?«
    » Er hat in all den Jahren so viele Zähne gesammelt. Vielleicht könnte er dir ein paar neue einsetzen.«
    Philipp spuckte in den Feuerkasten. » Gah. Zähne von Toten… Also, die Gerüchte. Ich hab sie jetzt in der Tasche.«
    » Wen oder was?«
    Philipp lächelte grimmig. » Die Hurensöhne, Athen. Ich hab die Schnauze voll, verstehst du.«
    Aristoteles nickte bedächtig. » Du willst also nun die bewaffneten Spaziergänge unternehmen?«
    Philipp ging zu einer Säule, lehnte sich mit dem Rücken dagegen und rieb; dabei seufzte er wohlig. » Ahhh. Ja. Seit zwanzig Jahren habe ich alles versucht, um eine hellenische Einigung zu erreichen. Als gleichberechtigter Herrscher, oder als Führer. Seit zwanzig Jahren hat Athen alles gehemmt und verhindert. Weil sie mit niemandem gleich sein wollen, sondern immer die ersten– und nicht, um Dinge zu bewegen, um beispielsweise einem Krieg gegen Artaxerxes vorzubauen, sondern einfach so.«
    Aristoteles lächelte matt. » Es sind eben immer einige gleicher als die anderen.«
    » Und wie sehr, ja. Wir werden alt, Aristoteles– wir beide. Du siehst noch nicht so aus, aber

Weitere Kostenlose Bücher