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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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tödliche Waffen in die Hand, die ich nicht verwenden kann.«
    Aristoteles ächzte; mühsam drehte er sich auf die Seite. Pythias kniete neben dem Lager und reichte ihm Wasser, half ihm trinken.
    » Ich danke dir, Kind.– Es ist Wissen, Peukestas. Wissen ist Macht, Wissen ist eine Waffe, wenn man es als Waffe einsetzt. Das richtige Wissen zur falschen Zeit ist eine tödliche Waffe; zwei Tage früher oder später kann es harmlos sein, lau und unschädlich. Und wichtiger als die Waffe ist die Hand, die sie führt. Was waren die unermeßlichen Heere des Dareios gegen– euch? Dareios hatte gewissermaßen keine Hände; ihr wart in den Händen von Alexander, von Parmenion, von Kleitos, Philotas, Perdikkas, Hephaistion und den anderen. Dieses Wissen, das dort auf Rollen verzeichnet steht, in der Hand eines Mannes, der damit umgehen kann, ist eine furchtbare Waffe. In deiner Hand wäre es Selbsttötung, Peukestas.«
    » Nenn mir die Hand, und ich gebe die Waffe weiter.«
    Aristoteles lachte. » Du irrst. Du wirst sie nicht weitergeben. Unter den Rollen, die hier liegen– und von denen erst ein geringer Teil verbrannt ist–, gibt es zweierlei Waffen. Die eine Art, in der richtigen Hand, könnte das Reich Alexanders dauerhaft festigen. Die andere Art könnte es sehr schnell zerstören. Diese Art, Peukestas, hältst du in der Hand; aber deine Hand ist zu schwach, und die Zerstörung des Reichs ist das Gegenteil dessen, was du anstrebst.«
    » Gib mir die andere Waffe.« Der Makedone hob flehend die Hände. » Gib sie mir– gib mir den Brief, in dem Alexander seinen Nachfolger benannt hat!«
    » Bist du sicher, daß dieser Brief nicht zur Zerstörung führt? In deiner Hand? Geh die Namen durch– die Namen derer, die vielleicht in Frage kommen. Antipatros, Perdikkas, Ptolemaios, Seleukos, Antigonos, Krateros, Meleagros, all die andren. Geh du, Peukestas, Sohn Drakons, machtloser wiewohl edler Makedone, mit diesem Brief zu den Fürsten und Führern. Was, glaubst du, wird Perdikkas tun, wenn nicht sein Name der Name des Auserwählten ist? Was Ptolemaios, was Krateros, was die anderen? Glaubst du, die Herren der Welt unterbrechen ihren Streit– wegen der Worte eines Toten, geschrieben an einen anderen Toten, mit toter Tinte auf totem Papyros?«
    Peukestas schwieg; er trank hastig. Dabei spürte er, als er die brennenden Augen schloß, die Blicke von Pythias, die ihn beinahe mitleidig musterte, und die von Aristoteles– kühl, entrückt, gleichmütig und unendlich überlegen.
    » Wie ging es weiter?« sagte er schließlich, kaum hörbar.
    Aristoteles setzte sich auf, mit Pythias’ Hilfe. Er schaute zum Weidenkorb, in dem Rollen standen, dann zur Wand, zu den Regalen, in denen immer noch viele Rollen lagen. Dann lächelte er flüchtig.
    » Die wichtigen Dinge sind noch da. Eine Rolle, neben anderen, die du besitzen kannst– ich will sie dir schenken, wenn du magst. Aber sie behandelt Ereignisse des nächsten Jahres. Laß uns noch kurz verweilen. Die athenische Gesandtschaft… Nun ja, sie gaben Alexander, was er haben wollte– nicht den Kopf des Demosthenes, den verlangte er auch erst später, wie du selbst wirst lesen können. Die unglaubliche Schnelligkeit, mit der er aus dem Norden nach Hellas gekommen war, lähmte jeden Widerstand, der sich erst hätte gründlicher regen müssen, um wirksam zu werden. Er bekam Athens Zusage, daß der Bund von Korinth weiter bestehen sollte. Daß Athens Flotte für den Rachefeldzug gegen Persien zur Verfügung stünde. Er reiste nach Delphi und Korinth, und als er im späten Herbst nach Pella heimkehrte, war er König der Makedonen, Archon der Thessalier, Feldherr der delphischen Amphiktyonie, Hegemon und Stratege des Bundes von Korinth– er war all das, was Philipp gewesen war.
    Er war aber auch mehr. Damals schon, zumindest in mancher Hinsicht. Er hatte begonnen, das Heer umzubauen. Es gab neue Begriffe; Wörter, Peukestas, die den Dingen neue Bedeutung verleihen. Sein Vater hatte aus dem Fußvolk eine Kerntruppe hervorgehoben und zu Gefährten zu Fuß gemacht, Pezhetairen. Die übrigen hießen Hopliten, wie alle. Alexander nannte sie nun alle Pezhetairen; und die Kerntruppe Schildträger, Hypaspisten– Hopliten, einfache Hopliten, mochten für Athen in den Kampf ziehen, aber Makedoniens ruhmreiche, unbezwingliche Fußkämpfer mit den langen Sarissen sollten anders heißen. Er erweiterte die Einheiten, die Philipp aufgebaut hatte– die besonderen Truppen, die Techniker, die

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