Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
wieder über den Kopf. Horosauge und ankh lagen zwischen ihren Brüsten. Sie fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und warf das lange brandrote Haar mit einer jähen Kopfbewegung zurück.
Der Ägypter kleidete sich an; flüchtig verneigte er sich vor der Statue des Widdergottes. Es war, als wollte er Zeus-Ammon um Vergebung für etwas bitten. Vielleicht dafür, daß er ihm nun den Rücken zuwandte.
» Morgen wird er kommen.«
Olympias öffnete die Augen weit, Gefäße eines tiefen schwarzen Lichts. » So bald? Und– woher weißt du?«
» So spät. Endlich. Und… ich weiß es eben.«
Einen Moment lang wirkte sie sehr jung, fast kindlich, und sehr einsam. » Und dann?« sagte sie mit dünner Stimme.
» Du bist eingeweiht– in alle Stufen des Mysteriums. Du weißt alles, was es zu wissen gibt– über den Gott und seinen Willen, über die Innenseite des Tempels und die Außenseite des Fleischs. Neun Tage dauert die Läuterung. Neun Tage wirst du ihn geleiten.«
» Wie?« Sie drehte sich auf die linke Seite, stützte sich auf den Ellenbogen.
Der Ägypter folgte den Bewegungen des Amuletts und der Brüste. » Er kommt als einer, der sühnen muß. Er hat Blut vergossen und muß Blutopfer darbringen. Neun Tage wirst du ihn dabei geleiten, als Priesterin, und neun Nächte als Gefährtin. Er ist groß, ein Herrscher unter den Männern. Stark, und sehr klug. Aber er ist kein frommer Mann. Sorg dafür, daß er deinen Körper mehr und frommer anbetet als Ammons Hauch.«
Sie lächelte. » Aber wenn er so stark ist und so klug, wie kann ich ihn dann zu meinem– unserem Werkzeug machen? Daß er meinen Sohn zeugt, Ammons Gefäß?«
Der Ägypter lachte halblaut. » Jede Frau kann einen klugen Mann lenken, aber nur eine sehr kluge Frau einen Trottel. Er ist kein Trottel– ihr solltet gut miteinander auskommen.«
Er wandte sich der Ammonstatue zu. Um den Hals des Gottes ringelte sich beinahe lebensecht eine große goldene Schlange. Der Ägypter neigte wieder den Kopf; dann streckte er die Hand aus und brach eines der goldenen Widderhörner von der Statue. Olympias stieß einen heiseren Schrei aus.
» Vergiß nicht«, sagte der Priester ernst. » Aristandros ist bei dir. Und ich werde mit dir sein, um dich anzuleiten, wenn du je Hilfe brauchst. So.« Er legte das verdrehte Horn des Widdergottes neben Olympias auf die Liege.
Mit weit aufgerissenen Augen sah sie zu, wie sich das Horn zu einer Schlange verwandelte, die sich entrollte, den Kopf hob und leise zischte.
» Riemen… auf!«
Die Ruderer führten den scharfen Befehl des Kapitäns im gleichen Atemzug aus. Wie ein auf dem Bauch liegender Tausendfüßler, die Beine abgespreizt, glitt der Eindecker mit dem restlichen Schwung auf den Sandstrand. Unter dem Bug knirschte es; der Tausendfüßler zappelte und zuckte, ehe er sich ein wenig auf die linke Seite neigte. Segelsklaven warfen die beiden Ankersteine über Bord.
Parmenion nickte den Unterführern zu, die über den Mittelsteg rannten und Befehle bellten. Während die Hopliten sich reckten und zu Rüstungen, Waffen und Beuteln griffen, begannen Sklaven und Ruderer damit, das Gepäck des Königs und seiner Begleiter sowie die Vorratsbehälter von Bord zu hieven. Der Segelmeister ließ den Mast umlegen; Aristandros, der dort angelehnt gesessen hatte, stand auf und kam nach achtern. Der Seher trug einen braunen Chiton, einen dunklen Umhang und den topfähnlichen Filzhut des Reisenden.
Parmenion ergriff die ausgestreckte Hand des sitzenden Antipatros und zog ihn hoch. Dann grinste er den großen breitschultrigen Mann mit dem schwarzen Bart an, der neben dem Kapitän stand und immer noch die Augen zusammenkniff.
» Was zwicket deine Leber, o mein König?«
Philipp rümpfte die Nase. » Der Gedanke an das Gewäsch der Tempeltrampel, das ich jetzt tagelang über mich ergehen lassen muß.« Er zerrte an seinem Gürtel, an dem zwei kurze Schwerter hingen. Wie Parmenion und Antipatros trug er Sandalen mit Wadenriemen, weißen Chiton, einen leichten ledernen Brustschutz und den roten Umhang des Herrschers oder Befehlshabers. Antipatros war kahl unter dem Helm, den er angeblich auch beim Beischlaf nicht abnahm; Philipp und Parmenion waren barhäuptig. Die Waffen dienten eher als Symbole des Rangs; mit zwanzig Hopliten als Schutztruppe würde keiner der drei Männer zum Schwert greifen müssen.
Aristandros hatte Philipps Knurren gehört. » Sobald wir an Land sind, solltest du deine Zunge an den Gaumen nageln.«
Der
Weitere Kostenlose Bücher