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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Sklaven von Demaratos, der ihm die politischen Anspielungen erklärte; seitdem wußte er, daß die deftigen Wörter aus den Schänken längst ihren Weg auf die Bühne gefunden hatten und daß der Kothurn nicht umknickte, wenn ein Schauspieler derlei sprach. Aber bis zum gestrigen Abend hatte er nie geahnt, daß derbe Stegreif-Gesänge gute Verse sein konnten, und wäre nicht zufällig der Kitharist in der Schänke gewesen, mit seiner Weigerung, das Lied zu begleiten, hätte Dymas vielleicht erst viel später entdeckt, daß man diese Gesänge und bestimmte Formen von Musik verbinden konnte.
    Er spielte, veränderte die Melodie, vermengte die Tongeschlechter, sang leise dazu. Nie hatte ihn jedoch der dumpfe Klang der Saiten, wenn er mit der Linken griff, so sehr gestört. Er dachte an Metall, an die Verbesserungen, die der Perser mit Hilfe des Schmieds in Karchedon vorgenommen hatte.
    Auf einem Tischchen neben dem Strohsack lag ein Teil der Nähwerkzeuge von Apama, darunter ein Fingerhut. Dymas legte das Barbiton beiseite, nahm den kleinen Bronzekörper auf, starrte ihn von allen Seiten an und steckte ihn auf den linken Zeigefinger. Dann versuchte er sich an einer einfachen Tonfolge, auf einer Saite. Die Wirkung war erstaunlich: zwischen Daumen und bewehrtem Zeigefinger ließ, wenn er sauber griff, das Schnarren fast ganz nach, und der immer noch dumpfe Klang, dumpfer als bei einer frei schwingenden Saite, erhielt gewissermaßen einen metallischen Kern, der genauer und schärfer war.
    Abends, in der Schänke, in der Apama Wein und Fleisch umherschleppte, prüfte er die Wirkung bei den Fischern. Er sang ein einfaches Lied, das er oft gehört hatte, und begleitete sich dazu auf dem fünfsaitigen Instrument.
    Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht.
    Sie halten die Herrschaft in ewigen Händen,
    um sie zu mißbrauchen, wie’s ihnen gefällt.
    Sie schänden die Frauen, verwirren den Schwan,
    sie schinden die Helden, sie schlachten die Kinder,
    versenken die Schiffe im salzigen Schoß.
    So reden die Priester. Wir flicken das Netz,
    wir fangen den Fisch, um den Hunger zu lindern,
    wir pflügen und säen und ernten die Frucht.
    Die Hornhaut der Füße, die Schwielen der Hand
    sind stärkere Götter als die für die Reichen.
    Lern schwimmen, Freund, eh du Poseidon vertraust.
    Die Fischer und Arbeiter lauschten stumm und gespannt; als Dymas endete, scharrten einige mit den Füßen, andere klopften auf die Tische.
    » Laß es nicht die Priester und die Reichen hören«, sagte ein alter Mann. Er grinste. » Und spiel es noch mal.« Er legte eine Münze auf den Tisch und bedeutete dem Wirt durch Zeichen, er solle Dymas neuen Wein bringen.
    Später, kurz bevor er und Apama die Schänke verließen, beugte sich ein anderer Mann über ihn und sprach leise, fast in sein Ohr.
    » Du bist weit gekommen, seit Karchedon. Und auch deine Musik, die ich nie zuvor gehört habe, kann dort nicht so trefflich gewesen sein. Es ist gut, hellenische Götter zu schmähen. Schmähst du auch Adherbal?«
    Sie gingen hinaus, vor die Schänke. Unter dem hellen Himmel und den tausend Sternen, am Kai, berichtete Dymas jene Dinge, die er für berichtenswert hielt. Der Fremde hörte schweigend zu, nickte mehrmals, wiederholte die Namen Demosthenes und Agathon, murmelte etwas über persische Fürsten und drückte Dymas am Schluß einen kleinen Beutel in die Hand.
    Den Beutel, der zehn silberne Halbdrachmen enthielt, ließ Dymas am nächsten Morgen auf Apamas Tischchen liegen. Sie schlief noch, als er ging.
    Das Schiff war fast beladen; wenige Stunden nach Sonnenaufgang konnten sie auslaufen. Beim letzten Gang, mit einem Tuchballen auf der Schulter, machte Dymas einen Umweg, um dem Kapitän eines Schiffs, das Demaratos gehörte– jenes, mit dem er nach Milet gekommen war–, das versiegelte Tonröhrchen auszuhändigen.
    Die Fahrt war entsetzlich. Die Besatzung bestand aus Irren, Säufern und Selbstmördern– bis auf den einbeinigen, einäugigen Kapitän, der keinen Schluck mehr trank, sobald sie Milet verlassen hatten. Er und Dymas hielten das Schiff auf Kurs, flickten das Segel, steuerten, besserten jeden Tag den Schiffsrumpf aus, der fast überall Wasser zog.
    Der alte hochbordige Frachter hatte einen Mast, in dem Holzwürmer hausten; ein erhöhtes Achterdeck, dessen Planken an vier Stellen einbrachen, wenn man darauf trat; acht Ruder, vier für jede Seite, von denen drei abgesplittert, zerbrochen und mit Seilen halbwegs wieder haltbar gemacht

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