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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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seufzte wollüstig.
    Dymas hob die Schultern. » Ich war Sklave in Karchedon, Herr. Ein Händler, Verwandter, hat mich freigekauft. Ich habe zwei Jahre für ihn gearbeitet, im Lager und auf Schiffen. Jetzt bin ich frei. Ich kann stauen, rudern, Segel nähen, setzen und bergen. Ich habe auch schon gesteuert. Als Sklave war ich Holzwerker.«
    Der Mileter kratzte sich noch immer; seine Echsenaugen betrachteten den jungen Hellenen, der barfuß vor ihm stand, mit ledernem Schurz und schwarzen Haarwäldern auf Brust, Bauch und Schultern.
    » Ich brauche gute Leute, die billig sind und kein Verlust, falls etwas schief geht.« Er spuckte auf den Boden der Lagerhalle und deutete mit dem Kratzestäbchen auf einen Stapel Ballen und Kisten links neben dem Eingang. » Nach Pella. Weißt du, wo Pella ist?«
    » Makedonien, Herr.«
    » Dann weißt du auch, warum ich billige Leute brauche.«
    Dymas grinste leicht. » Die Herbststürme?«
    » Es wird knapp. Tuch aus Ägypten, Glasfläschchen und billiger Schmuck. Ein Händler in Pella will alles unbedingt vor dem Winter haben. Mein schlechtester Kapitän, das älteste Schiff und eine unfähige Besatzung. Die Ladung ist versichert; der Rest?« Er zuckte mit den Schultern.
    » Man muß nehmen, was man kriegen kann. Was zahlst du, Herr?«
    » Zwei Obolen am Tag. Und die zweifellos köstliche Bordverpflegung. Das Geld gibt es in Pella, falls ihr ankommt.«
    Dymas nickte. » Ich wünsche dir einen guten Tag, Herr.«
    Der Händler wartete, bis Dymas halb aus dem Eingang getreten war; dann rief er: » Halt. Was willst du haben?«
    » Eine Drachme. Zehn jetzt, den Rest in Pella.«
    Der feiste Mann hob die Hände. » O ihr Götter! Ein Fürstenlohn für Handlangerarbeit!«
    » Ich sagte, ich kann auch steuern. Und das Boot ausbessern, wenn es sein muß. Außerdem ein wenig Musik machen, um die Leute aufzuheitern.«
    » Es wird nicht viel sein… Gute Musiker heuern nicht auf Herbstschiffen an. Sagen wir, drei Obolen, und gleich drei Drachmen Handgeld.«
    Nach längerem Gezeter war der Händler schließlich bereit, vier Obolen zu zahlen und fünf Drachmen sofort. Als Dymas die Münzen einsteckte, erschien der Kapitän des Boots, auf dem er somit angeheuert hatte: ein Mann mit Holzbein, einem Auge und sicherlich sechzig Jahren. Er trug einen bräunlichen Chiton mit Weinflecken und torkelte leicht.
    Dymas versprach, am folgenden Morgen zur Stelle zu sein und beim Laden zu helfen. Bei erträglichen Wetterverhältnissen, überlegte er, würden sie– falls das Schiff halbwegs gewöhnliche Geschwindigkeiten erreichte– mindestens fünfundzwanzig Tage benötigen, eher mehr. Fünfundzwanzig Tage bedeuteten sechzehn Drachmen und vier Obolen. Ein guter Handwerker verdiente eine Drachme am Tag; aber ein guter Handwerker würde etwa fünfzig Drachmen zahlen müssen, um als Fahrgast von Milet nach Pella zu gelangen.
    Er verließ die Lagerhalle, die Teil der großen Hafenhalle war, ging vorbei an den Läden und Marktständen und der großen Latrine hinaus auf die Prachtstraße, die zu den Tempeln und dem Prytaneion führte. Im Handwerkerviertel, jenseits der großen Bauten, ging er schneller, bog um ein paar Ecken, duckte sich in den zu einem Innenhof mit Schänken und Werkstätten führenden Bogengang und wartete. Als er sicher war, nicht verfolgt zu werden, überquerte er den Innenhof, verließ ihn durch eine schmale Gasse auf der anderen Seite und stieg zwischen immer ärmeren, lehnenden Häusern eine steile ausgetretene Treppe hinauf. Auf halber Höhe des Hügels verschwand er in einem Gemüsegarten, hinter dem ein einraumiges Haus aus Lehm, Holz und Schindeln lag.
    Die kinderlose Witwe war nicht da. Sie hatte das Haus geerbt, als ihr Mann, ein Fischer, vor nicht ganz einem Jahr ertrunken war. Das Haus, sonst nichts, nicht einmal ein paar Münzen. Sie war achtzehn, drei Jahre älter als Dymas, den man für zwanzig hielt. Sie nähte und flickte, arbeitete außerdem in einer Hafenschänke, wo sie früher oder später entdecken würde, daß es, solange sie jung war, ein besseres Geschäft sein mochte, ein wenig Schminke aufzutragen und jeden Tag fünf Seeleute statt fünf Tage lang einen zu beherbergen.
    Mit einem mißmutigen Blick auf die Instrumente setzte Dymas sich an den wackligen Tisch. Er spuckte mehrmals in die angetrocknete Tinte, dann schrieb er ein paar Worte auf sein letztes Stückchen Papyros. Er wußte nicht, ob die Geschichte vom athenischen Logographen Demosthenes, der in Milet die

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