Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
gesäubert. Die Öllampen waren aufgefüllt, ebenso die Kohlenbecken. Olympias ging in den Nebenraum, der nur durch einen Vorhang im Durchgang von ihrem getrennt war Auf dem Schemel am kleinen Tisch saß eine der Ammen; sie hielt den fünfzehn Monde alten Alexander auf dem Schoß und fütterte ihn mit einem Hornlöffel. Brei rann ihm aus den Mundwinkeln– Mehlbrei, mit Wasser und Stutenmilch und Kinnamon bereitet. Der kleine Bauch blähte sich beinahe, aber der Junge verlangte immer mehr.
    » Ist Lanike nicht gekommen?«
    Die Amme verneigte sich im Sitzen, eine schwierige Übung, da sie den Kleinen nicht absetzte. » Sie wird bald hiersein, Herrin. Sie will Proteas mitbringen und vielleicht später mit den Kindern in die Gärten gehen.«
    Olympias fuhr ihrem Sohn mit den Fingerspitzen durchs helle Haar und ging zurück in ihren Raum. Lanike, Tochter des vornehmen Makedoniers Dropidas, vermählt mit dem aus Olynthos stammenden Andronikos, war zwanzig Jahre alt, zwei Jahre jünger als die Königin; sie hatte wenige Tage vor Olympias einen Sohn geboren und einige Zeit im Palast gelebt, um auch Alexander zu stillen. Olympias dachte an die Launen der Natur; Lanike war ebenso blond wie Alexander, ihr elfjähriger Bruder Kleitos dagegen schon jetzt am ganzen Leib schwarz behaart. Lanikes Sohn, Proteas, hatte einen schwarzen Schopf, obgleich sein Vater ebenso rot war wie Olympias. Philipp, schwarzhaarig überall dort, wo Haare nur wachsen konnten, hatte einen blonden Sohn gezeugt. Sie seufzte kaum hörbar und streifte ihr breites Lager mit einem Blick. Nur die Bronzegefäße, abends mit heißem Wasser gefüllt und mit Fellen umwickelt, gaben in der Nacht Wärme, und der nackte Halbgott auf dem dunkelrot, hellgrün und golden leuchtenden Wandbehang hatte keine Ähnlichkeit mit Philipp.
    Die Thrakerin stellte eine Schale mit Milch neben das Körbchen, in das die kleine Schlange irgendwann zurückkehren würde, durch das Loch in der Fensterbespannung. Sie deutete auf die Wärmegeräte; als Olympias nickte, zündete sie beide an und verließ dann den Raum. Der kaum mehr als kniehohe Eisenofen mit eingelassenem Bronzekessel, in dem Wasser erwärmt wurde, stand auf seinen Löwenfüßchen neben dem Tisch aus verziertem schwarzen Holz; das mit Wasser, Wein, Honig und Gewürzen gefüllte Tongefäß, erhitzt durch eine eingesetzte Metallröhre mit glühenden Holzkohlen, ruhte auf einer kleinen vierfüßigen Eisenplatte. Olympias setzte sich in den mit Fellen belegten Armsessel, rollte den Papyros aus, beschwerte ihn an den Rändern mit gegossenen Bleifiguren, die Bären und Wölfe darstellten, und las den begonnenen Brief an ihren Onkel. Dann nahm sie einen frischen Schreibhalm, zerkaute das eine Ende und schrieb weiter, wo sie abends aufgehört hatte.
    Die üblichen Dinge– Fragen nach dem Ergehen des Herrschers, der die Geschicke der Molosser lenken sollte, bis Olympias’ jüngerer Bruder Alexandros alt genug wäre; Fragen nach dem Befinden von Alexandros, der kaum zwei Jahre alt gewesen war, als sie in den Tempel von Dodona und dann nach Samothrake geschickt wurde; Mitteilungen über wichtige und unwichtige Dinge, Vorfälle im Palast zu Pella, der eigentlich nur eine ausgebaute, erweiterte Burg war; dann wieder Fragen nach Menschen, an die sie sich kaum noch erinnerte, und Bitten um Übersendung von Gegenständen, die ihr einmal teuer gewesen waren.
    Lanike kam, brachte ihren Sohn und holte Alexander; Olympias knabberte an schalem Brot und schöpfte Glühwein in einen Becher, trank und grübelte.
    Eine Dienerin erschien. » Herrin, des Königs Seher Aristandros ist hier.«
    Olympias legte das Schreibried beiseite. » Wenn es sein muß…«
    Aristandros trat ein, neigte den Kopf und ließ sich auf dem Stuhl nieder, auf den Olympias wortlos deutete.
    » Da ich so lange nicht in den Genuß deines Anblicks kam…« Aristandros lächelte: nur mit dem Mund, die Augen waren fragend und kalt. » Wie ist dein Befinden, Königin– und wie geht es dem Gefäß des Ammon, dem Sohn des Gottes?«
    » Dem Sohn des Königs Philipp geht es gut.« Olympias musterte das Gesicht des Sehers, die scharfen Augen, die scharfe Nase, den dünnen Mund, der ein überflüssiger Strich im dunkelbraunen Bart schien. » Und mir wird es wieder gutgehen, wenn erst der König unverletzt von der Grenze heimgekehrt ist.«
    » Ich hörte, damit sei in den nächsten zwei oder drei Tagen zu rechnen.«
    Olympias hob die Schultern. » Das mag so sein.«
    Aristandros

Weitere Kostenlose Bücher