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Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands

Titel: Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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der Opfertiere sagen es. Ich habe mehrere Opfer dargebracht, und immer ist es die gleiche Ankündigung.« Er griff in die aufgenähte Tasche seines langen schwarzen Umhangs und holte ein Stoffbündel heraus.
    Olympias hob die Hände, mit gespreizten Fingern. » Nicht… Was sagen die Vögel und die Lebern?«
    » Alexander wird entweder sehr früh sterben, als Knabe– durch Gewalt. Oder nach wenigen Jahren einer großartigen Herrschaft. Jedenfalls wird er jung sterben. Vielleicht liegt es an dir, dafür zu sorgen, daß er überhaupt herrschen und Ammons Willen erfüllen kann.«
    » Zeig es.« Olympias’ Stimme war heiser, wie von Schmerzen aufgerauht.
    Aristandros öffnete das Stoffbündel. Er nahm ein weiteres Tuch heraus, heller und voller Blutflecken, öffnete auch dieses.
    Olympias beugte sich über die Widderleber, tastete, nahm sie in die Hände, hielt sie hoch, knetete, betrachtete sie von allen Seiten. Schließlich legte sie sie wieder in das Tuch, das Aristandros auf dem Schoß hielt.
    » Und wer sagt mir«, flüsterte sie, » daß dies die Leber eines Tieres ist, das du den Göttern wirklich zu diesem Zweck dargebracht hast?« Unter ihren geschlossenen Lidern sickerten Tränen hervor, rannen über die Wangen.
    » Heute, bei Sonnenaufgang.« Aristandros’ Gesicht war ernst. » Habe ich dich je belogen? Hat je ein Priester dich belogen?«
    Olympias öffnete die Augen, trocknete sie mit dem Ärmel ihres Obergewandes. » Verbogen«, sagte sie heiser. » Verbogen habt ihr mich. Eine Tempeldirne gemacht aus mir. Mich zu eurem Werkzeug abgerichtet, wie man ein Tier zu einem bestimmten Zweck abrichtet. Meine Seele vergiftet, all das, ja. Aber gelogen? Nein– wenn nicht die Götter selbst Lüge sind.«
    Aristandros wickelte die Leber ein und steckte das Bündel wieder in die Tasche. » Niemand hat je versucht, deine Seele zu vergiften, Olympias. Dazu hätte man deinen Willen brechen müssen, und den kann keiner brechen.«
    Olympias schwieg; ihre Augen irrten durchs Zimmer, ihre Blicke verfingen sich im Vorhang zum Nebenraum.
    Sanft, halblaut, eindringlich sprach Aristandros weiter. » Philipp hat dir zweimal geschrieben.«
    Sie zuckte zusammen. » Woher weißt du das?«
    Er breitete die Arme aus. » Wenn ich nicht viel mehr wüßte als andere, wäre ich ein schlechter Priester. Ein kurzsichtiger Seher. Philinna hat in der gleichen Zeit sieben Briefe von ihm erhalten.«
    Olympias starrte ihn wortlos an.
    » Angeblich– und ich glaube nicht, daß er es gesagt hat, aber es wurde mir so zugetragen…« Er seufzte, legte seine Hände auf die von Olympias. » Ich bitte dich, nicht an ihm zu zweifeln; wahrscheinlich ist dies nur ein übles Gerücht. Eine schlimme Verleumdung. Je größer ein Mann, desto größer die Zahl der Neider und Schandmäuler.«
    Sie schüttelte seine Hände ab. » Sag, was du zu sagen hast!«
    » Nun gut. Wenn du unbedingt willst… Nein, ich mag es nicht sagen.«
    Olympias beugte sich vor. » Sag, was du zu sagen hast, Seher!« Sie schrie beinahe.
    Aristandros hob die Hände; sein Gesicht war lauterer Schmerz. » Er soll gesagt haben… Oder jemand in seiner Umgebung.«
    » Was?!«
    Aristandros schloß die Augen, rieb sich die Schläfen, atmete schwer. » Vielleicht war es ja auch nur ein Gerede während eines Gelages… Zwei Barbarinnen, die er in der gleichen Nacht beritten hat, sollen gesagt haben, wenn Söhne aus der Lust entstünden, würden zweifellos Herrscher über die Stämme daraus. Jemand– ich glaube nicht, daß es Philipp war, Herrin–, jemand soll daraufhin gesagt haben, es gebe ja schon zwei Söhne, und vielleicht sei der Erstgeborene, Sohn einer thessalischen Tänzerin, doch eher zum König geeignet als der zweite, immerhin auch nur Sohn einer… einer… molossischen Tempeldirne.«
    Olympias’ Gesicht entspannte sich. » Geschwätz. Ich dachte, du hättest mir etwas Wichtiges zu sagen.«
    » Ist es denn so nebensächlich?«
    Sie hob die Schultern. » Geschwätz, noch einmal. Philipp ist kein großer Briefeschreiber. Sieben Briefe an Philinna? Ich glaube es nicht, und wenn schon…«
    Aristandros legte die Hand an die Tasche, in der die Leber steckte. » Wenn du vom Geschwätz absiehst, auch von der Wichtigkeit oder Unwichtigkeit der Briefe, solltest du doch anderes nicht vergessen, Königin der Makedonen.« Er betonte die Anrede.
    Olympias blickte zur Fensteröffnung. Ein leises Rascheln: Die kleine Schlange kehrte von ihrem Morgenzug zurück, glitt die Wand hinab und

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