Alexander - der Roman der Einigung Griechenlands
Weiter. Antigonos.«
Der Truppenführer rieb sich die Narben, die wie ein Spinnennetz die leere linke Augenhöhle umgaben. Mit monotoner Stimme verlas er Zahlen und Münzmengen und Entfernungen: wie viele Söldner Makedonien verlassen hatten, wie viele neu angeworben worden waren, welche Vorräte er hatte anlegen lassen, wo die einzelnen Truppenteile für den Winter untergebracht waren. » Es wäre billiger, sie im Herbst zu entlassen und im Frühjahr neue zu werben«, sagte er zum Schluß. » Aber man verlöre viel Zeit.«
» Zeit ist teurer als Geld. Gute Arbeit, Freund. Und du, Drakon?«
Drakon spuckte einen Olivenkern auf den Boden, schob eine weitere Olive in den Mund und hob die Schultern. » Das einzig erwähnenswerte, neben den üblichen kleinen Krankheiten und den Verwundungen, sind zwei Dinge. Die Reinlichkeit der Unterkünfte, die Gewissenhaftigkeit, mit der neuerdings Trinkwasser und Ausscheidungen getrennt werden, haben größere Krankheiten, wie sie so oft vorgekommen sind, erheblich vermindert. Wir sollten hierin beharrlich sein. Das zweite erwähnenswerte Ding betrifft einen epeirotischen Heiler namens Leukos.« Drakon hüstelte und grinste. » Ein Mensch, der im Gegensatz zu mir einen dichten Vollbart trägt und im Moment Oliven kaut. Dieser Leukos war einige Tage zu Besuch bei einem berühmten Heiler, Kedalion, der einige gute neue Einfälle für das Aufschneiden von Bäuchen, das Ziehen von Zähnen und das Schienen mehrfacher Brüche hat. Kedalion lebt und wirkt in, ah, wie heißt der Ort gleich, Methone. Leukos hat viel von ihm gelernt, wenn es ihm auch nicht leichtfiel, immer mit molossischer Zungensteifheit zu sprechen.«
Philipp lachte. » Nicht alle Molosserzungen sind steif.« Sein Fuß kam wieder zu Besuch; Olympias blinzelte fast unmerklich. » Und was hat dieser Leukos sonst noch in Methone gesehen?«
Drakon schob die Olive aus der rechten in die linke Wange. » Er hat sich der Stadt erfreut.« Der Heiler entrollte einen Papyros und reichte ihn dem König. » Das sind die Befestigungen, die inneren Verbindungswege, die Lage der Waffenkammern, die Vorräte, die Tore, die Stärke der Mauern und die Punkte, an denen der Einsatz von Belagerungsmaschinen sinnvoll wäre.«
Philipp betrachtete die Zeichnungen und Zahlenangaben, rollte den Papyros wieder ein und schob ihn Parmenion zu. » Wenn du je wieder von Leukos hörst, richte ihm den tiefen Dank des Königs der Makedonen aus.«
Antipatros berichtete von Vorfällen in Pella, von Gesandtschaften, von Erkundigungen und Nachrichten; danach ließ Philipp die beiden Schreiber kommen, die ihn auf dem Feldzug begleitet hatten. Sie verglichen Aufzeichnungen, ergänzten oder kürzten, je nach Philipps Anweisungen, stellten eine Liste der von ihm geschriebenen und empfangenen Briefe zusammen.
» Zwei an Olympias.«
» Mit Wonne.« Philipp nickte heftig.
» Sieben an Philinna.«
Philipp seufzte. » Ein böses Weib. Zetert brieflich hinter mir her, ganz gleich, wo ich mich gerade aufhalte. Sie will dies, sie will das, ihr paßt jenes nicht, sie möchte dieses verändern, und warum ich so viel Aufhebens um Alexander mache, da sie mir doch viel eher einen Sohn geboren hat. Was soll ich mit ihr machen? Kann ich sie fortschicken und Arridaios hierbehalten? Ohne ihn wird sie nicht gehen. Ihn mit ihr fortlassen kann ich auch nicht; jemand könnte ihn als Geisel gegen uns verwenden. Fällt dir etwas dazu ein, Frau?«
Olympias zögerte nur einen Moment. » Er ist alt genug, um mit den anderen, den Söhnen deiner Fürsten und Gefährten, erzogen zu werden. Übergib ihn den Lehrern. Da es mit allen so geschieht, kann Philinna es nicht als absichtliche Kränkung ansehen. Und– du solltest ihr eine neue Behausung anbieten, mit größerem Garten und mehr Dienern; weiter weg von Pella.«
Parmenion nickte stumm; Antipatros und Drakon grinsten. Philipp lächelte. » Ein sehr guter Vorschlag.– Was meinst du dazu, Antigonos?«
Der Einäugige hob die Schultern. » Es steht mir nicht zu, mich dazu zu äußern, Herr.«
Philipp schnaubte. » Unfug. Jedem erwachsenen waffenfähigen Makedonen steht es zu, sich jederzeit zu allem zu äußern.«
Antigonos legte die Hände auf die Tischplatte; ohne von den Fingern aufzublicken sagte er: » Man könnte auch erwägen, das dann freiwerdende Gebäude am Kanal für die Erziehung zu nutzen. Gib es Lysimachos; ich glaube, die Verhältnisse hier im Palast sind ein wenig beengt.«
Philipp fuhr sich mit dem Handrücken
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