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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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mich, auf sich selbst, auf das Leben und den Tod. Ich war zu verblüfft und erschrocken, um einen Ton herauszubringen. Mein Herz konnte sich nicht zwischen Stillstand und Galopp entscheiden. Als Jörgensen sich nach einer halben Ewigkeit endlich genug an meinem Schrecken geweidet hatte, wandte er die Waffe gegen sich selbst und steckte sich den Lauf in den Mund.
    »Lassen Sie den Blödsinn!«, brachte ich endlich heraus.
    Unverwandt sah er mir in die Augen. In seinem Blick gewitterte ein Durcheinander von Angst, Freude über eine wirklich gelungene Überraschung, Wut auf seine Krankheit, Sehnsucht nach Ruhe.
    Er drückte ab.
    Es machte klick.
    Jörgensen nahm den Lauf aus dem Mund und grinste wieder.
    »Jetzt hat aber einer Schiss gehabt, was?«, keuchte er.
    Ein Faden Speichel hing an der Mündung des Revolvers.
    Meine Hände hatten sich ineinander verkrampft. Ich löste sie unauffällig und entspannte mich allmählich. Den Triumph, mir vor seinen Augen den Schweiß von der Stirn zu wischen, würde ich ihm nicht gönnen.
    »Also gut«, brummte Jörgensen. »Kommen Sie, machen Sie Ihre Durchsuchung.«
    Spielerisch zielte er auf eine der technischen Zeichnungen an der Wand. Ein donnernder Schuss löste sich, das Blatt hatte ein kreisrundes Loch. Es stank nach verbranntem Pulver. In meinen Ohren hallte der Knall nach.
    »Eins zu fünf.« Es klang fast befriedigt, wie dieser Wahnsinnige das sagte. »Eine Patrone, fünf leere Kammern in der Trommel. Das Risiko ist eins zu fünf.«
    »Sind Sie vollkommen übergeschnappt?«, brüllte ich ihn an. »Sie spielen hier vor meinen Augen russisches Roulette?«
    Fast zärtlich betrachtete er die noch ein wenig qualmende Waffe, die er jetzt in beiden Händen wiegte wie ein frisch geborenes Kätzchen.
    »Sie werden es nicht glauben, aber das war mein elfter Versuch. Es ist gegen jede Wahrscheinlichkeit, Herr Kommissar, dass ich noch am Leben bin.«
    »Wenn schon, dann Kriminalrat, bitte.« Mit einer raschen Bewegung entriss ich ihm das Ding. Verblüfft starrte er mich an. »Sie werden verstehen, dass ich Ihnen Ihr Spielzeug wegnehmen muss.«
    »Sie sind so ein Arschgesicht!«, murmelte er voll fassungsloser Wut. »Nie im Leben hätte ich gedacht, dass Sie so ein Arschgesicht sind!«
    Es war eine gut geölte Colt Cobra, Kaliber achtunddreißig. Ich klappte die Trommel heraus, ließ die leere Patrone zu Boden fallen und versenkte die Waffe in der Jacketttasche.
    »Die Quittung schicke ich Ihnen mit der Post.«
    »Auf Ihre Quittung ist geschissen!«
    »Was ist denn hier los?«
    Wir fuhren beide herum. Die schmale Frau mit der tonlosen Stimme stand in der Tür, in jeder Hand eine schwere Stofftasche voller Einkäufe. »Hast du etwa geschossen, Hermann?«
    »Verschwinde«, bellte er. »Geh spielen!«
    Gehorsam und so lautlos, wie sie gekommen war, zog sie sich zurück. Ich hörte, wie in der Küche der Kühlschrank geöffnet wurde und Flaschen klirrten.
    Jörgensen sah ihr nach und brachte schon wieder so etwas wie ein Lachen zustande. Dann wandte er sich wieder mir zu.
    »Wegen Tim: Ich tippe nach wie vor auf den Alten. Er hat den Jungen immer gehasst.«
    »Und Sie denken wirklich, Ihre Frau würde so etwas vertuschen?«
    »Ihre Familienidylle ist ihr Ein und Alles. Es macht sie wahnsinnig, dass sie es einfach nicht hinkriegt, eine normale Ehe, ein normales Leben zu führen. Und dabei liegt’s doch gar nicht an ihr. Sie hat sich immer solche Mühe gegeben. Aber alles geht immer schief. Auch ich passe nicht in ihre Idylle. Und der verrückte Alte zweimal nicht.«
    Von Leona hörte man inzwischen nichts mehr. Vermutlich saß sie in der Küche und wartete, bis sie wieder hier geduldet wurde.
    »Gestatten Sie mir eine sehr persönliche Frage?«
    Diesmal klang in seinem Lachen fast ein wenig Humor mit. »Kann mich nicht erinnern, dass Sie bisher um Erlaubnis gefragt hätten.«
    »Sie waren dreiundfünfzig, als Tim geboren wurde. Ihre Frau siebenunddreißig.«
    Er nickte.
    »Tim ist Ihr erstes Kind.«
    Er sah weg. »Ich tauge nicht zum Vater. Nicht einmal das. Ich wollte nie Kinder. Und Muriel, die glaubt an die unbefleckte Empfängnis. Sie gehört zu den Frauen, die mit derselben Begeisterung mit einem Mann schlafen, mit der sie zum Gynäkologen gehen. Aber das war nie ein Problem für mich. Sex kann man überall haben. Vielleicht war es gerade das, was mich an ihr fasziniert hat. Diese Körperlosigkeit, dieses … Reine.« Sein Lachen klang diesmal unsicher.
    »Sie sind aber sicher, dass

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