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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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haben.«
    »Ich?« In einer Mischung aus Unglauben und Verblüffung musterte er mich von oben bis unten und wieder zurück. Selbst im Rollstuhl konnte der Mann noch bedrohlich wirken. »Sagt Muriel das? Sagt sie, ich hätte den Jungen? Sind Sie hier, um nachzusehen, ob ich ihn irgendwo versteckt habe?«
    »Sie werden verstehen, dass wir jede Möglichkeit in Betracht ziehen müssen. Wollen wir uns nicht lieber setzen?«
    »Ich sitze schon, wie Sie bemerkt haben dürften.«
    »Ich bin nicht hier, um mit Ihnen herumzustreiten. Ich bin gekommen, um ein paar Fragen zu klären. Und je zügiger wir es hinter uns bringen, desto rascher sind Sie mich wieder los.«
    »Oh, ich habe massig Zeit!« Wieder einmal lachte er sein fieses Lachen. »Das ist das Einzige, was ich noch habe: Zeit.«
    Eine Weile sah er auf den billigen, grau melierten Kunststoffboden, als hätte er meine Anwesenheit vergessen.
    »Wie geht’s Muriel?« Plötzlich hatte seine Stimme einen bisher nicht gehörten, weichen Klang. »Sie hat versucht, sich umzubringen, habe ich gehört?«
    »Sie liegt immer noch im Koma. Aber die Ärzte meinen, wenn nichts dazwischenkommt, bringen sie sie durch.«
    »Gott sei’s getrommelt und gepfiffen«, murmelte er mit misstrauischem Blick in meine Augen. »Kommen Sie ins Wohnzimmer.«
    »Ich bin überzeugt, Ihre Frau weiß, wo Tim steckt«, sagte ich, als ich saß. »Aber aus irgendeinem unbegreiflichen Grund deckt sie den Entführer.«
    »Bringt sich eine Mutter um, die noch Hoffnung hat, ihr verlorenes Kind wiederzusehen?«
    »Vermutlich eher nicht.«
    »Und Sie glauben im Ernst, ich hätte den Jungen verschwinden lassen? Warum sollte ich?«
    »Sie brauchen Geld.«
    »Und ich bin ein schrecklicher Rabenvater, ich weiß.« Er nickte ernst. »Ich bin ja nicht mal dabei gewesen, als er zur Welt kam. Und ich war selten genug dabei, als er groß wurde. Muriel musste ihn lange überreden, bis er Papa zu mir sagte. Der Junge ist ihr Kind. Nicht meines.«
    »Wann genau sind Sie aus dem gemeinsamen Haushalt ausgezogen?«
    Jörgensen sah mir für Sekunden hasserfüllt in die Augen. »Um Ihnen weitere unangenehme Fragen zu ersparen: Die Diagnose wurde mir Mitte August eröffnet. Die Prognose lautet: sechs Monate. Drei davon sind rum. Ich habe mich dann sofort um eine Wohnung gekümmert. Mitte September bin ich ausgezogen. Um den Zwanzigsten herum, genauer weiß ich es nicht mehr.«
    »Am einundzwanzigsten ist Ihr Sohn verschwunden.«
    »Behauptet Muriel.«
    Sein aggressiver Ton machte es mir leichter, die nächste Frage zu stellen: »Sie sind vor drei Jahren in Manila im Zuge einer Razzia in Polizeigewahrsam genommen worden.«
    »Sieh einer an, was Sie alles wissen!«, erwiderte er ungerührt.
    »Das Lokal, in dem Sie aufgegriffen wurden, gehört zur – sagen wir mal – nicht sehr angesehenen Sorte.«
    »Ein Puff. Sprechen Sie es ruhig aus.«
    »Ein Kinderpuff, um genau zu sein.«
    Er atmete tief ein, hustete und sah mich an, als würde nur seine Gebrechlichkeit ihn daran hindern, mir an die Gurgel zu gehen. »Ich will Ihnen jetzt mal was verraten, verehrter Herr Gerlach. Manches vierzehnjährige Nüttchen in Manila ist zehnmal fitter und lebensfähiger als manche Fünfunddreißigjährige hierzulande. Viele der Mädchen ernähren ganze Familien in ihren Heimatdörfern. Und legen noch den einen oder anderen Dollar zurück für schlechte Zeiten.«
    »Sie sind so unglaublich widerlich! Wir sprechen von Kinderprostitution!«
    »Und Sie sollten diese ganze Geschichte nicht überbewerten. Die Polizei dort unten kassiert Schutzgeld von den Bordellbetreibern. Und wenn einer nicht bezahlt, dann wird sein Laden bei nächster Gelegenheit aufgemischt, man nimmt ein paar Ausländer fest und kassiert von denen, was man an der anderen Front nicht kriegt. Hat mich fünfzehnhundert Dollar gekostet, am nächsten Morgen freizukommen.«
    »Das heißt, es hat keine Untersuchung gegeben?«
    »Weil es nichts zu untersuchen gab. Ich habe keines der Mädchen angefasst, falls das Ihren Seelenfrieden wieder herstellt. Ich bevorzuge reiferes Gemüse.«
    »Und wie steht es mit Jungs?«
    »Lecken Sie mich.«
    »Um mit den unangenehmen Fragen langsam zum Ende zu kommen: Seit wann müssen Sie im Rollstuhl sitzen?«
    »Die ersten vier Wochen ging’s noch ohne.« In seinen schmalen Augen glomm jetzt unverhohlene Mordlust. »Und wie es aussieht, wird es ab Weihnachten auch wieder ohne gehen. Weil ich dann nur noch liegen kann.«
    »Hatten Sie schon früher ein

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