Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
Vandalismus!«
»Damit wir uns richtig verstehen: Sie sind hier bei der Kriminalpolizei, und ich bin der Chef. Für Anzeigen dieser Art bin ich eigentlich nicht zuständig. Die können Sie problemlos bei jeder Polizeidienststelle aufgeben.«
Sein Gesicht lief von unten her dunkelrot an. »Problemlos?«, brüllte er. »Haben Sie problemlos gesagt? Soll ich Ihnen sagen, was passiert, wenn ich mit meiner Anzeige auf unser Polizeirevier gehe?«
»Sie sind nicht zufrieden mit der Vorgehensweise der Kollegen?«
»Einen Scheißdreck bin ich! Diese Bürohengste in Wiesloch schreiben alles brav auf und grinsen sich eins. Und sobald man aus der Tür ist, machen sie zwei hübsche runde Löcher in ihr Protokoll und heften es ab.«
»Sie müssen verstehen, Herr …«
»Rußwurm.« Er lüftete andeutungsweise sein breites Gesäß.
Ich sah unauffällig auf die Uhr. Vermutlich würde es mich weniger Zeit kosten, ihn anzuhören, als ihn hinauszuwerfen.
»Sie müssen bitte verstehen, dass wir praktisch überall unterbesetzt sind. Das Land streicht mir Jahr für Jahr Stellen, während unsere Aufgaben gleichzeitig immer zahlreicher werden. Jeder meiner Leute leistet Überstunden, die er nie bezahlt bekommt. Und trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass die Wieslocher Kollegen tun, was sie können.«
»Wenn die tun, was sie können, dann können sie gar nichts. Und es kann der Polizei in diesem Land, wo ich meine Steuern zahle, und zwar nicht zu knapp, ja wohl nicht egal sein, wenn zum x-ten Mal irgend so ein dahergelaufener Ganove mein Eigentum zerstört!«
Diesmal war mein Blick zur Uhr nicht mehr ganz so unauffällig.
»Es geht nämlich um das hier.« Rußwurm fischte eine Klarsichttüte aus einer der tiefen Taschen seiner olivgrünen Jacke und knallte sie vor mich auf den Tisch. Sie enthielt ein großes, neuwertiges Vorhängeschloss in bester Qualität, an dem noch immer die rot lackierte Lasche baumelte, die irgendein dahergelaufener Ganove mit grober Gewalt abgebrochen hatte.
Ich zog einen Block heran, ergriff einen Stift und ließ meine verbundene Linke unter dem Schreibtisch verschwinden.
»Name und Anschrift, bitte.«
Wie ich schon vermutet hatte, wohnte er in Wiesloch. Von Beruf war er Fensterbauer.
»Hab da eine Firma mit knapp dreißig Leuten. Ich schaffe Arbeitsplätze, verstehen Sie! Ich bin keiner von denen, die ihre Produktion nach Rumänien verlagern! Und drum erwarte ich, dass man diesen Fall mit allem Nachdruck untersucht! Ihre Kollegen haben’s ja nicht mal für nötig gehalten …«
Karl Rußwurm griff, als wäre ihm plötzlich ein Gedanke gekommen, in eine andere Tasche und knallte eine weitere Plastiktüte vor mich hin. Diese enthielt zwei Schraubenzieher. Der kleinere war hoffnungslos verbogen, der größere blutverschmiert. Die Wunde an meiner linken Hand begann zu pochen.
»Ich bin seit siebenundzwanzig Jahren Erster Vorsitzender von unserem Angelverein. Wir haben seit Ewigkeiten das Fischereirecht für den Baggersee westlich der Autobahn. Und weil’s immer wieder Ärger gegeben hat mit wilden Campern oder irgendwelchen Idioten, die nachts unbedingt nackig baden müssen, oder Pärchen, die anscheinend kein Bett zum Vögeln haben, gibt’s da seit ein paar Jahren eine Schranke.« Er brauchte einige tiefe Atemzüge, bevor er fortfahren konnte: »Ich hab sie in meiner eigenen Werkstatt bauen lassen. Verstehen Sie, auf meine Kosten! Und es ist eine gute Schranke! Und das …« Er drosch mit der flachen Hand auf den Tisch, dass mein Aktenlocher einen kleinen Luftsprung vollführte. »… das ist jetzt das fünfte Mal, dass mir dieses Lumpenpack das Ding kaputtmacht!«
»Es dürfte nicht ganz einfach sein, den oder die Täter zu überführen«, gab ich zu bedenken. »Wir haben ja leider nicht allzu viel …«
»Warten Sie nur.« Wieder fuhr seine Hand in eine der zahllosen Taschen. Die nächste Tüte enthielt einige vertrocknete, gelbrote Eichenblätter mit deutlich sichtbaren braunen Flecken. Blutspuren. Meine Wunde pochte wie rasend.
»Zum Glück hat er sich wenigstens ordentlich verletzt, der Drecksack! Sie können ja seit Neuestem so Blutuntersuchungen machen. Damit kriegen Sie doch heutzutage praktisch jeden, liest man immer wieder in der Zeitung. Und an dem einen Schraubenzieher, da ist auch Blut, und wahrscheinlich sind auch seine Fingerabdrücke dran. Die Dinger stammen übrigens aus Frankreich, sehen Sie, da.« Er deutete auf einen in den Griff des größeren Schraubenziehers
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