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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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überhaupt jemand drin ist?«, fragte Balke den etwas irritiert dreinschauenden Schutzpolizisten.
    »Vorhin, wie wir angerückt sind, da ist jedenfalls noch Bewegung am Küchenfenster gewesen. Kann höchstens sein, dass sie gleich durch die Hintertür geflüchtet sind. Anschließend hab ich das Haus aber sofort komplett sichern lassen. Hier kommt mir keiner mehr rein oder raus.«
    Im Haus rührte sich nichts.
    »Lassen Sie sofort alle Blaulichter ausschalten«, wies ich den übereifrigen Polizeihauptmeister an. »Und Ihre Truppen sollen sich zurückziehen.«
    Wieder drückte ich den Klingelknopf, über dem in rührend kindlicher Handschrift »Kerbaj« geschrieben stand.
    Wieder keine Reaktion.
    Ich wandte mich um. »Alle weg hier!« Ich verscheuchte die Herumstehenden mit großen Bewegungen. »Und ein bisschen flott, wenn ich bitten darf!«
    Motoren wurden angelassen, Wagen wendeten, und eine Minute später stand ich allein vor dem Haus. Von Polizei war nichts mehr zu sehen. Aus den Augenwinkeln hatte ich an einem Fenster drei Schritte neben der Tür eine schnelle Bewegung wahrgenommen. Jetzt hing die Gardine wieder ruhig. Ein leichter, böiger Westwind ging. Es roch nach Kartoffelfeuern, fruchtbarer, feuchter Erde und kommendem Winter.
    »Öffnen Sie bitte«, rief ich. »Ich komme nicht in böser Absicht.«
    Endlich drehte sich ein Schlüssel im Schloss. Leise knarrend öffnete sich die Tür einen Spalt. Ein kleiner, erbärmlich schwitzender Mann mit dunkler Haut und schwarzem Haar starrte mich an, als wäre ich eben der Hölle entstiegen.
    Ich hob beide Hände in Schulterhöhe. »Keine Angst. Bestimmt ist alles nur ein Irrtum.«
    Die Tür öffnete sich ein wenig weiter. Ich trat ein. Drinnen roch es nach orientalischen Gewürzen, Pfefferminze und Angst. Die ganze Familie saß im kleinen Wohnzimmer und wirkte, als hätte man eben mit knapper Not einen Vulkanausbruch überlebt.
    »Wir Aufenthaltserlaubnis«, erklärte der kleine Mann heiser und hustete. »Ich arbeiten. In Sinsheim. Im Museum ich arbeiten. Kinder Schule. Nix illegal!«
    Seine verschleierte Frau saß auf dem Sofa, daneben aufgereiht vier Kinder im Alter zwischen zwei und vielleicht sieben Jahren. Zwei Mädchen mit schwarzen Augen, unverschleiert und mit schon wieder keckem Blick. Zwei Knaben, die trotz ihrer finsteren Mienen sehr verschüchtert wirkten. Neben der Couch stand noch ein älterer, vielleicht zwölfjähriger Junge. Er hatte die Hände in die Hüften gestützt, und sein Blick sagte, dass er jederzeit für seine Familie in den Tod gehen würde.
    »Ich Arbeit«, wiederholte der Mann bittend. »Kinder Schule. Alles okay.«
    Die Frau nickte angstvoll zu jedem seiner Worte und zog ihre Kinder an sich. Da niemand auf die Idee kam, mir einen Stuhl anzubieten, setzte ich mich auf den weichen Teppich. Auf diese Weise sah ich nicht mehr auf alle hinab, und tatsächlich entspannten sich die Mienen ein wenig.
    »Ich glaube Ihnen, dass hier alles in Ordnung ist«, sagte ich.
    Die Frau sagte etwa auf Arabisch und erhob sich.
    »Tee?«, übersetzte der Mann.
    »Gerne.«
    Als sie mit weichen Schritten zur Küche ging, bemerkte ich hohe Absätze unter dem Saum ihres knöchellangen Kaftans. Die Mädchen wechselten Blicke und begannen, mit den Beinchen zu wippen.
    »Es ist nämlich so«, begann ich, als wir kurze Zeit später alle am Boden um einen niedrigen Tisch saßen. »Jemand will hier einen deutschen Jungen gesehen haben. Sechs bis sieben Jahre alt und blond.«
    »Lustig«, sagte der Mann.
    Seine Frau hatte den Schleier inzwischen zurückgeschoben. Ihr rundes, aber nicht unhübsches Gesicht war dezent geschminkt, der Blick offen und wach.
    »So lustig finde ich die Sache eigentlich nicht«, erwiderte ich, nachdem ich an dem verteufelt heißen und süßen Tee genippt hatte.
    »Nachbarn.« Herr Kerbaj wies in die Richtung, wo der wachsame Nachbar wohnte. »Lustig Name.«
    »Herr Lustig ist arbeitslos«, ergänzte seine Frau in überraschend gutem Deutsch. »Und er mag uns leider nicht so.«
    »Der deutsche Junge, das ist Felix«, sagte eine fröhliche Kinderstimme schräg hinter mir. Es war der Zweitälteste Junge, der sich inzwischen ebenfalls von seinem Schrecken erholt hatte. »Felix darf manchmal bei uns spielen.«
    »Und woher kennst du ihn?«
    »Wir gehen in dieselbe Klasse!«
    »Du gehst schon in die Schule?«
    »Aber klar!« Das Strahlen des Jungen wurde noch breiter. »Ich bin doch schon sieben.«
    »Felix ist das erste deutsche Kind, das uns

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