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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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»Hast du so wenig Vertrauen zu uns?«
    »Natürlich nicht. Ich meine, doch, ja. Ich habe sogar sehr viel Vertrauen zu euch. Ich möchte nur, dass ihr vorsichtig seid. Dass ihr niemandem, den ihr nicht wirklich kennt, eure Adresse gebt. Oder eure Telefonnummer.«
    »Paps, also bitte! Wir haben schon total oft gechattet!«
    »Auch früher schon. Von Silkes PC.«
    »Damals hast du nur nichts davon gemerkt.«
    »Das nennt ihr also Französischlernen? Da ist es ja kein Wunder …«
    »Wir haben ja auch gelernt!«
    »Viel geholfen hat es anscheinend nicht.«
    Später fingen sie noch einmal von ihrem Sam an, den sie offenbar grenzenlos bewunderten. Aber in diesem Punkt blieb ich eisern. Wider Erwarten kam es auch diesmal nicht zu größeren Unruhen. Hatten sie wegen ihrer Noten ein so schlechtes Gewissen? Oder sollten sie über Nacht vernünftig geworden sein? Die Entwicklung von Kindern verläuft ja in Schüben. Eines Morgens stehen sie auf und sind über Nacht um ein halbes Jahr gereift.
    Den Nachmittag begann ich mit der Erledigung liegen gebliebener häuslicher Lästigkeiten und dem Ausfüllen überfälliger Überweisungen. Balke hatte mir zwar jüngst in leuchtenden Farben die Vorteile des Online-Banking dargelegt, aber noch war mein Vertrauen in die moderne Informationstechnik nicht so weit gefestigt, dass ich dem Internet meine finanziellen Geheimnisse anvertrauen mochte.
    Später setzte ich mich ins Wohnzimmer und nahm mir den Camus wieder vor. Meine Töchter paukten immer noch Französisch. Hin und wieder hörte ich sie Verben konjugieren und Substantive deklinieren. Kaum hatte ich jedoch das Buch aufgeschlagen, da platzten sie mit wichtigen Mienen und einigen Computerausdrucken herein.
    »Guck mal hier, Paps!«
    Aufgeregt breitete Louise ein paar Blätter vor mir auf dem Couchtisch aus. Ich legte das Buch wieder zur Seite. Die vier Ausdrucke zeigten Fotos.
    Auf dem linken sei Tim zu sehen, zusammen mit einem Mädchen aus der Nachbarschaft, mit dem er hin und wieder spiele, wurde ich aufgeklärt. Die beiden Kinder standen Hand in Hand in einem Sandkasten und wussten offensichtlich nicht so recht, wozu sie fotografiert werden mussten. Tim, schmal und ein wenig zu blass, wirkte deutlich verhaltener als das dralle schwarzlockige Mädchen. Die drei anderen Bilder waren nicht gestellt. Sie wirkten im Gegenteil, als hätte jemand sie heimlich aufgenommen. Einen kräftigen, braun gebrannten Jungen erkannte ich auf allen dreien, deutlich älter und größer als Tim. Allem Anschein nach war er auf dem Weg zur Schule.
    »Wer ist das?«
    »Der Junge, der bei der Tante auf Korfu wohnt.«
    »Und woher habt ihr die Fotos?«
    »Das ist doch jetzt voll egal! Siehst du denn nicht, dass das nicht Tim ist?«
    »Natürlich sehe ich das. Aber woher wollt ihr wissen, dass bei der Tante nicht noch ein zweiter Junge wohnt? Vermutlich hat sie selbst auch Kinder.«
    »Hat sie eben nicht!«
    »Woher wollt ihr das wissen?«
    Sie wurden eine Spur leiser. »Jemand hat für uns das Haus beobachtet. Und da wohnen eben nur Tims Tante und ihr Mann und der Junge da. Sie ruft ihn Pavlos.«
    »Und darf man auch erfahren, wer das Haus in eurem Auftrag beobachtet?«
    »Ein Freund.«
    »Seit wann habt ihr Freunde auf Korfu?«
    »Mann!« Sie verdrehten furchterregend die Augen. »Schon mal was von Internet gehört?«
    Zögernd legte ich die Bilder zurück auf den Couchtisch. »Ihr steht in Kontakt mit irgendeinem Kerl, von dem ihr nicht das Geringste wisst? Seid ihr noch ganz bei Trost? Nichts ist umsonst. Was, wenn er eine Gegenleistung verlangt? Was, wenn er irgendwann vor unserer Tür randaliert?«
    »Er weiß ja nicht mal unsere Namen, Paps!«, versetzte Sarah augenrollend.
    »Und er verlangt wirklich nichts dafür, dass er uns hilft«, versuchte auch Louise meine Sorgen zu zerstreuen. »Und er wird uns ganz bestimmt nie besuchen.«
    »Wichtig ist doch, dass die Mutter dich angelogen hat und dass Tim eben doch verschwunden ist.«
    »Und du könntest dich übrigens ruhig mal ein bisschen freuen«, meinte Louise gekränkt. »Wir machen deine Arbeit, und du meckerst wieder bloß rum.«
    »Wie soll ich mich darüber freuen, dass ich jetzt noch einen zweiten Fall am Hals habe?«
    Wortlos begannen sie, ihre Ausdrucke einzusammeln.
    »Lasst sie hier«, seufzte ich. »Bitte.«
    Sie legten sie auf den Tisch zurück.
    »Und danke. Das habt ihr gut gemacht.«
    Sie lächelten.

12
    Später machte ich einen langen Spaziergang über die Felder westlich der Stadt

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