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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Wochenende oder so. Was meinst du?«
    Es gelang mir wirklich, fast völlig ruhig zu bleiben. »Und woher kennt ihr diesen … Sam?«
    »Studi-VZ«, gestand Louise.
    Davon hatte ich schon gehört. »Seit wann seid ihr denn Studenten?«
    »Schüler-VZ ist für Babys«, erklärte Sarah kategorisch.
    »Damit ich es richtig verstehe: Ihr habt übers Internet irgendeinen …« Ich schaffte gerade noch die Kurve. »… einen jungen Mann aufgerissen. Und der soll bei uns wohnen?«
    »Doch bloß übers Wochenende, Manno!«
    »Und er ist auch total nett!«
    »Wie alt?«
    »Einundzwanzig«, antwortete Sarah mit Blick zur Decke.
    »Dreiundzwanzig«, verbesserte Louise kleinlaut. »Er studiert in Mainz.«
    »Dann ist er kein Junge mehr, sondern ein Erwachsener. Wie war eigentlich eure Französischarbeit?«
    Mit einem Mal begann Sarah, sich Spaghetti in den Mund zu stopfen.
    »Also schlecht.«
    Ich legte mein Besteck auf den Tisch. »Wie schlecht?«
    Wieder wartete ich vergeblich auf eine Antwort.
    »Schlechter als vier?«
    Sie nickten kaum merklich.
    »Schlechter als fünf?«
    Sie schüttelten die Köpfe.
    »Mädels«, seufzte ich, »wenn das so weitergeht, dann werde ich euch demnächst den Internetanschluss abklemmen müssen. Ich meine das ganz ernst. Eine gute Ausbildung ist das Wichtigste im Leben. Und ab sofort werden hier andere Saiten aufgezogen!«
    Eine Weile war es still in unserer Küche. Meine Töchter starrten in ihre inzwischen fast leeren Teller. Der Kühlschrank summte. Draußen knatterte ein Moped vorbei.
    »Was studiert dieser Sam eigentlich?«, fragte ich schließlich, um die trübe Stimmung ein wenig aufzuhellen.
    »So Jazz und Popu…« Louise sah Sarah hilfesuchend an »Jazz und Polularmusik.«
    »Na prima. Damit kann man bestimmt reich werden.«
    »Später will er mal Profimusiker werden.«
    »Er hat sogar schon eine eigene Band!«
    Vor meinem geistigen Auge erschien eine Mischung aus Alice Cooper und Kurt Cobain, der sich bekanntlich im Drogenrausch das Leben genommen hatte.
    »Nur über meine Leiche«, erklärte ich.
    Sie blieben merkwürdig ruhig. So, als hätten sie von vornherein nicht mit einem Erfolg gerechnet. Mit undurchsichtigen Mienen verzogen sie sich nach dem Tischabräumen in ihr Zimmer, und obwohl ich die Ohren spitzte, hörte ich weder abfällige Bemerkungen noch geflüsterte Flüche oder Verwünschungen.
    Irgendetwas stimmte hier nicht.
    Bald darauf begannen sie wieder zu singen: »Echo of a night. Nothing to fear and nothing to fight.«
    Sie schienen einen Narren gefressen zu haben an dem Song.
     
    Donnerstag, erster November, Allerheiligen, Feiertag. Beim ersten Espresso wurde mir bewusst, dass ich am Vorabend meinen Kochkurs vergessen hatte. Dabei hätte ich ausnahmsweise sogar Zeit gehabt. Wenn das so weiterging, dann hatte ich das Geld wohl aus dem Fenster geschmissen.
    Nachdem der morgendliche Nebel sich verzogen hatte, brach die Sonne durch gleißende Schleierwolken. Über Nacht war das Thermometer weiter gefallen, ein unangenehm böiger Wind blies von Westen her. Meine Töchter sprachen nur das Allernötigste mit mir und verbrachten den Tag in ihrem Zimmer, um dort – wie sie behaupteten – Französisch zu lernen.
    Meine Rückenschmerzen hatten sich gebessert, und auch die linke Hand schmerzte nur noch bei bestimmten Bewegungen. Ich schickte Theresa per SMS ein umfangreiches Bulletin betreffend meinen Gesundheitszustand, aber sie antwortete mitleidlos. Ansonsten blieb mein Handy stumm.
    Beim Mittagessen versuchte ich, mit meinen Töchtern das geplante Gespräch zu führen über fiese Kerle, die in Chatrooms kleine Mädchen verführten, indem sie sich als gleichaltrige Jungs, Ferrari fahrende Millionäre oder angehende Popstars ausgaben.
    Sie sahen mich an, als wäre ich nicht bei Trost.
    »Hältst du uns echt für so bescheuert, Paps?«, fragte Sarah. »Denkst du, wir fallen auf jeden blöden Trick von irgendeinem Hirnie rein?«
    »Was ist das, ein Hirnie?«
    »Einer, der nicht ganz richtig im Kopf ist.«
    Ich wollte ihnen nicht schon wieder die Stimmung verhageln. Schließlich hatten auch sie frei, und außerdem hatte ich heute keine Lust auf Streit.
    »Ich möchte doch nur sicher sein, dass ihr wisst, was ihr tut. Und in diesem Punkt habe ich im Moment leider meine Zweifel. Mir fällt da zum Beispiel ein gewisser Sam ein.«
    »Paps, wir sind fast sechzehn! Wir sind doch keine Kinder mehr!«
    »Und meinst du, wir sind in einem Jahr so viel reifer als jetzt?«, sekundierte Sarah.

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