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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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gehört zum Standardprogramm.«
    »Das Umfeld!« Er lachte dröhnend. »Das ist gut. Bin ich also seit Neuestem ein Umfeld?«
    In aufgerichtetem Zustand musste er fast zwei Meter groß sein, und in besseren Zeiten war er vermutlich weit über hundert Kilo schwer gewesen. Jetzt waren die Wangen in seinem breiten Gesicht eingefallen, unter den wässrig hellen Augen hingen dunkle Tränensäcke. Die graue Tuchhose war ihm zwei Nummern zu weit geworden. An den bloßen Füßen trug er Lederpantoffeln. Unvermittelt ging sein Lachen in Husten über. Sein Kopf lief rot an, er rang nach Luft, bekam endlich welche und begann dann übergangslos zu fluchen.
    »Fucking shit!«, tobte er und prügelte auf den Rollstuhl ein. »Was habe ich nur verbrochen, um so elend auf den Hund zu kommen?«
    Allmählich beruhigte er sich. Seine Gesichtsfarbe wurde wieder heller. Noch immer atmete er schwer.
    Ich hatte inzwischen Block und Stift gezückt.
    »Vielleicht erzählen Sie einfach ein bisschen. Von Ihrer Ehe, von Ihrem Sohn. Wie ist er? Lustig? Frech? Oder eher von der schüchternen Sorte?«
    »Frech? Quatsch. Ein Angsthase ist der Junge. Das hat er von seiner Mutter. Keine Kraft in den Knochen. Wegen jedem Pups fängt er an zu flennen und rennt zur Mutti. Unsere Ehe? Wissen Sie, ich war ja selten zu Hause die letzten Jahre. Hatte viel im Ausland zu tun.«
    »Darf man fragen, was Sie dort gemacht haben?«
    »In diesem Fall bekommt man sogar eine Antwort. Ich bin … war Bauingenieur. Bei HT Goldwing. Haben Sie bestimmt schon von gehört.«
    »Nein.«
    »Goldwing ist der drittgrößte amerikanische Baukonzern. Vor Jahren haben sie mal wie verrückt weltweit die Konkurrenz aufgekauft. Der alte Goldwing wollte auf Teufel komm raus Number one werden, hat es aber am Ende nicht ganz geschafft. Unter anderen haben sie die Voegele-Gruppe in Sinsheim übernommen. Bei denen war ich damals gelandet, nachdem Voegele seinerseits den heruntergewirtschafteten Laden von Muriels Vater übernommen hatte. War eine fürchterliche Fusionitis damals. Für mich war die feindliche Übernahme ein Glücksfall. Bei Voegele wäre ich nichts geworden, weil der Boss keinen neben sich hat großwerden lassen. Als wir dann zu Goldwing gehörten, war ich bald Bauleiter von ziemlich großen Projekten. Und wenn ich sage groß, dann meine ich groß. Jobs, die nicht in Millionen, sondern in Milliarden abgerechnet werden. Man sagt mir nach, dass ich auch restlos verschissene Projekte aus dem Dreck ziehen kann. Bei so was dürfen Sie nicht zimperlich sein. Und Sie werden nicht Everybody’s Darling. Außer im Management natürlich.«
    Er steckte sich die nächste Marlboro an mit einer Miene, als wollte er sich damit das Leben nehmen. Ich mochte nicht fragen, woran er litt. Vielleicht an Lungenkrebs im Endstadium?
    »War ein verdammt schönes und mörderisch aufregendes Leben. Überall bin ich gewesen, überall. Afghanistan, Pakistan, zweimal auf den Fidschis, einmal Saudi-Arabien, Dubai. Nennen Sie mir irgendein beschissenes Drecksland dieser Erde, und die Wahrscheinlichkeit ist klein, dass ich nicht irgendwann dort gewesen bin. Mal nur für ein paar Tage, oft für Jahre.«
    »Und Ihre Frau war die ganze Zeit über hier?«
    »Die klebt an dem Haus und dem Alten und ihrem geliebten Heidelberg. Mal habe ich sie sogar überredet mitzukommen. Habe gedacht, tut ihr vielleicht gut, mal ein bisschen rauszukommen, was von der Welt zu sehen. Ich meine, es waren die Fidschis, bin aber nicht sicher. Hübsches Fleckchen Erde da unten, weiß Gott. Aber nach ein paar Wochen musste die gute Muriel heim. Angeblich hat sie das Klima nicht vertragen. In Wirklichkeit hatte sie Heimweh.«
    »Dann haben Sie eine ziemlich extreme Form von Fernbeziehung geführt«, meinte ich lächelnd. »Das stelle ich mir nicht …«
    »Papperlapapp!« Mit der qualmenden Zigarette in der Hand schnitt er mir das Wort ab. »Es gibt Telefon und E-Mail. Und alle zwei, drei Monate hat der alte Goldwing einen Heimflug spendiert. Das braucht man auch. Sie drehen irgendwann durch, wenn Sie ständig nur Dreck sehen und Bagger, Kräne und Wohncontainer. Meine Baustellen waren ja meist weit weg von der Zivilisation.«
    »Was waren das für Projekte, die Sie geleitet haben?«
    »Ach«, er winkte ab, »Ingenieurbau. Nichts Spektakuläres. Eisenbahnbrücken, Raffinerien, solche Sachen.«
    »Wie lange sind – Verzeihung – waren Sie verheiratet?«
    »Nichts zu verzeihen, wir sind’s ja noch. Seit neunzehn Jahren. Wir werden

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