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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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aufs Ohr. »Was habe ich das Mädel damals um ihre Brüste beneidet! Aber mit den Jahren habe ich zum Glück aufgeholt.« Mit einem Mal wurde sie wieder ernst. Sie schubste mich an. »Nun sag schon, was hältst du von meinem Vorschlag?«
    »Das Hotel müsste so weit entfernt sein, dass wir mit Sicherheit keine Heidelberger treffen.«
    »Wir setzen uns ins Ausland ab. Was hältst du vom Elsass?«
    »Da kann man prima essen. Und guten Wein haben sie auch.«
    »Du musst es nicht gleich so maßlos übertreiben mit der Begeisterung«, brummelte sie und ging auf Abstand.
    »Entschuldige.« Ich legte meine Rechte auf ihr Knie, das heute züchtig von einer Jeans verhüllt war, und wusste selbst nicht, was mit mir los war. Natürlich hatte ich Lust, wieder einmal eine ganze Nacht mit meiner Geliebten zu verbringen. Ein verschwiegenes kleines Hotel, abends fein essen, morgens so lange schlafen, wie man konnte. Frühstücken bis zum Platzen. Und dazwischen Sex und Liebe und vielleicht noch einmal Sex …
    »Denk darüber nach.« Plötzlich klang Theresa sehr kühl. »Aber es wäre schön, wenn du dich vor Weihnachten entschieden hättest.«

15
    Für die Nachbarschaft muss es ein Fest gewesen sein, das Ereignis des Jahres. Wir rückten mit fünf Fahrzeugen an. Der randalierende Großvater wurde in seinem Zimmer eingeschlossen, Muriel Jörgensen brach noch an der Tür in Tränen aus und musste psychologisch betreut werden. In den umliegenden Häusern kamen die Gardinen nicht zur Ruhe an diesem Vormittag.
    Während die Spurensicherer sich an ihre langweilige und penible Arbeit machten, sah ich mir das Kinderzimmer an. Schon als ich die Tür öffnete, beschlich mich das Gefühl, ein selten besuchtes Museum zu betreten. Alles war hier perfekt, jeder Teddy saß an seinem Platz, die Bettdecke war glatt gestrichen und einladend zurückgeschlagen. Ein rührend kleiner Pyjama wartete ausgebreitet auf seinen Besitzer. Auf dem Nachttischchen aus geöltem und garantiert lösungsmittelfreiem Kiefernholz eine Lampe, deren Schirm bunte Ballons zierten. Daneben ein aufgeschlagenes Bilderbuch, »Wo die wilden Kerle wohnen«, und ein Glas Wasser für das nicht gar so wilde Kind.
    Ich nahm das Glas zur Hand. Hätte es länger als zwei, drei Tage dort gestanden, dann hätte Staub auf der Oberfläche treiben müssen.
    Das Wasser war frisch.
    Ansonsten die übliche Ansammlung von nie benutztem Spielzeug. Alles pädagogisch wertvoll und kreativitätsfördernd, wenig Kunststoff. Mit Grausen dachte ich an das frühere Kinderzimmer meiner Töchter, diese Sondermülldeponie voller Puppen, die sprechen, weinen, Bäuerchen oder Pipi machen konnten, Berge niemals aufgeschlagener Bilderbücher, Mitbringspiele von ungezählten Geburtstagsgästen, tonnenweise Plunder und Trödel.
    Was wir suchten, waren Spuren von Gewalt. Ich glaubte nicht an ein Verbrechen. Weder der Mutter noch dem gebrechlichen Großvater traute ich die absichtliche Tötung des Kindes zu. Was ich jedoch für denkbar hielt, war ein häuslicher Unfall, an dem jemand sich schuldig fühlte. So schuldig, dass er das Unglück anschließend vertuschte. Vielleicht war Tim die Treppe hinuntergestürzt, weil der Großvater ihn versehentlich zum Stolpern gebracht hatte. Vielleicht hatte er sich in einem unbeaufsichtigten Moment mit einem Küchenmesser so schlimm geschnitten, dass er am Ende verblutet war. Aus irgendeinem irrsinnigen Grund hatte die Mutter keinen Arzt gerufen. Und als ihr endlich klar wurde, was sie angerichtet hatte, da hatte sie nicht mehr gewagt, sich jemandem anzuvertrauen. Sie hatte die Leiche verschwinden lassen und die Angelegenheit verdrängt, vergessen, vor sich selbst geleugnet. Bis ich kam und an ihrer Tür klingelte.
    Meine Spezialisten fürs Unsichtbare fanden an nicht weniger als elf Stellen im Haus Blutspuren. Alles wurde säuberlich dokumentiert, fotografiert, und die meist mikroskopisch kleinen Spuren kamen ins Labor.
    Muriel Jörgensen verlor den letzten Rest ihrer Fassung, als sie es erfuhr.
    »Blut?«, murmelte sie mit ziellos herumirrendem Blick. »Wie kommt denn Blut in mein Haus?«
    »Das ist absolut nicht ungewöhnlich«, versuchte ich, sie zu beruhigen. »Sie finden in jedem Haus der Welt Blutspuren. Wenn Kinder im Haus sind, sowieso. Man schneidet sich, man kratzt sich, man stößt sich. Das bedeutet erst einmal überhaupt nichts.«
     
    »Das Blut am Fuß der Treppe«, sagte Vangelis während der Rückfahrt in die Innenstadt, »muss eine ziemliche Menge

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