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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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wurde. Da war keine Spur von Sorge oder Unruhe zu spüren, wenn wir über Tim sprachen. Irgendein Kind war verschwunden. So what?
    »Sorry«, sagte er. »Aber in meinem Job sind Gefühle nicht gefragt. Da brauchen Sie Verstand und Härte. Sie müssen Menschen wehtun können, ohne nachts wach zu liegen, sonst gehen Sie zugrunde. Auf den Großbaustellen der Dritten Welt gibt es praktisch täglich Tote und Verletzte. Die Leute da sind meistens Idioten, die nichts wissen und nichts können. Ordentliches Arbeiten müssen Sie denen erst mühsam beibringen, von technischen Zusammenhängen und Notwendigkeiten haben sie keinen Dunst, auf Sicherheitsvorschriften ist geschissen. Ist zu wenig Zement da, dann mischt man eben weniger Zement in den Beton. Ist eine Maschine kaputt, dann nimmt man eben die, die daneben steht. Und dann diese ewigen Krankheiten. Vor allem in Laos.« Er wies auf eine der Zeichnungen an der Wand. »Das war die Bogenbrücke da. Wir hatten die Malaria in den Camps, und die Ratten haben uns fast gefressen. Die meiste Zeit hat es geschüttet, die Maschinen sind im Dreck versunken. Dann kam auch noch das Hochwasser und hat die Hälfte von dem, was schon fertig war, wieder abgerissen. Täglich hatten wir ein paar Beerdigungen. Es war einfach nur zum Kotzen. Und so was müssen Sie aushalten können, sonst sind Sie am falschen Platz. Ich bin nie ein Softie und Frauenversteher gewesen. Muriel hat gewusst, worauf sie sich einlässt. Sie hat genug Zeit gehabt, es sich zu überlegen.«
    Sein Blick, der immer noch an der technischen Zeichnung klebte, wurde plötzlich weich. So als würde er ein altes Familienfoto betrachten, das ihm im Lauf der Zeit ans Herz gewachsen war.
    Leona gab mir einen Wink und führte mich hinaus.
     
    »Was soll das heißen, du kannst nicht?«, fragte Theresa streng. »Du hast bisher immer gekonnt!«
    »Keine Witze, bitte. Mir ist wirklich nicht zum Lachen zumute. Und auf keinen Fall lasse ich mich wieder auf irgendwelche Experimente in der freien Natur ein. In ein Hotel können wir nicht, seit man mein Gesicht ständig in der Zeitung sieht. Und außerdem fühle ich mich nicht gut. Vermutlich das Wetter.«
    Es war Dienstag, unser Abend. Ich hatte mich auf unser Zusammensein gefreut, und nun saßen wir im Wagen, auf dessen Dach der Regen trommelte, und wussten nicht, wohin.
    »Unsinn.« Sie legte den Arm um mich und zog mich an sich. »Du hast einfach nur zu wenig Sex in letzter Zeit.«
    Nun musste ich doch lachen. Sollte sie etwa recht haben? Nein. Ich war überreizt und überarbeitet. Diese neuen Entführungsfälle. Das Damoklesschwert des Ermittlungsverfahrens, das gegen mich lief. Ich wünschte mich weit, weit weg. Auf eine menschenleere Insel mit Strand und Sonne, Palmenschatten und Brandungsrauschen. Die Fidschis zum Beispiel.
    »Morgen oder übermorgen wird die Staatsanwaltschaft mich in die Zange nehmen.«
    »Und das schlägt dir auf den Magen?«
    »Wundert dich das?«
    »Da kommt doch nichts bei raus.« Gelassen winkte sie ab. »Natürlich müssen sie irgendwie aktiv werden, das erwartet die Öffentlichkeit. Sie werden ein wenig ermitteln, ihr werdet ein wenig plaudern, vielleicht werden sie ein bisschen die Zeigefinger schwenken, und dann wird die Sache natürlich eingestellt.«
    »Du klingst, als wüsstest du mehr als ich.«
    Theresa grinste schelmisch. »Vergiss nicht, ich sitze an der Quelle!«
    »Du redest mit deinem Mann über mich?«
    »Es lässt sich hin und wieder nicht vermeiden.«
    »Und was erzählt er so über mich?«
    »Dass du dich zu viel in die Arbeit deiner Leute einmischst und er dich deshalb demnächst feuern wird.«
    Auf dumme Fragen bekommt man dumme Antworten.
    Eine Weile hörten wir schweigend dem Regen zu. Dann sah mich Theresa von der Seite an mit diesem gewissen Blick, als wäre ihr eben eine ihrer grandiosen Ideen gekommen. Zum Beispiel, an der nächsten Tankstelle ein Sixpack Bier und eine Tüte Chips zu klauen.
    »Vielleicht sollte ich mal wieder Viola besuchen, was meinst du? Die habe ich seit Ewigkeiten nicht gesehen. Am besten, ich bleibe gleich über Nacht in Darmstadt.«
    Viola war eine von Theresas ältesten Freundinnen und hatte, ohne etwas davon zu ahnen, schon das eine oder andere Mal als Alibi für eine Nacht zu zweit herhalten müssen.
    »Alte Freundschaften soll man pflegen«, erwiderte ich ohne Begeisterung. »Und immerhin war sie ja mal so was wie deine Busenfreundin.«
    »Das kannst du laut sagen.« Meine Liebste küsste mich kichernd

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