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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Burger
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Schwager.«
    Ich nahm die Brille ab und rieb meine Augen. Setzte sie wieder auf. »Was haben die da eigentlich gebaut, auf den Philippinen?«
    »Gar nichts«, erwiderte Runkel. »Seine Baustelle ist gar nicht auf den Philippinen gewesen. In dem Punkt hat er Sie angelogen.«
    »Sondern?«
    Inzwischen sehnte ich mich nach Balkes norddeutsch-flotter Art oder Vangelis’ kühler Präzision. Was mir Runkel mitzuteilen versuchte, hätte man vermutlich bequem in zwei, drei Sätzen zusammenfassen können.
    »Auf Guam. Das ist eine gottverlassene Insel drei Flugstunden östlich von Manila.«
    »Und was baut man auf Guam?«
    Runkel hob die massigen Schultern. »Keine Ahnung. Soll ich versuchen, es rauszufinden?«
    Hermann Jörgensen als Pädophiler? Das gab der Sache eine völlig neue Wendung. Sollte Runkel in seiner tölpelhaften Art über eine Goldader gestolpert sein?
    »Wissen Sie was?« Ich sah auf die Uhr. »Das soll er mir am besten selbst erzählen. Ein bisschen frische Luft wird mir guttun.«
    Aber daraus wurde nichts.
    Mein Telefon klingelte – Frau Weberlein.

22
    Zwanzig Minuten später brachte Balke unseren Wagen mit quietschenden Reifen vor dem Jörgensenschen Gartenzaun zum Stehen. Wir durchquerten den Vorgarten im Laufschritt. Balke drückte den Klingelknopf und ließ ihn nicht mehr los.
    Der alte Herr Gernhardt schreie seit dem frühen Morgen im Haus herum, hatte mir Frau Weberlein aufgeregt ins Ohr gekreischt. Im Augenblick war es drinnen jedoch still. Niemand öffnete.
    »Scheiße!«, knurrte Balke und drückte wieder die Klingel.
    Jetzt begann drinnen die Stimme des alten Mannes zu zetern.
    »Verschwinden Sie!«, kreischte er. »Wir spenden nichts, wir kaufen nichts!«
    »Polizei!« Ich klopfte gegen die Tür. »Öffnen Sie bitte!«
    »Verschwinden Sie!«, schrie er mit überkippender Stimme. »Oder ich hole die Polizei!«
    Balke nahm Anlauf, um die Tür einzurennen, aber ich hielt ihn zurück und zog mein Handy aus der Jacketttasche.
    »Warten wir lieber auf den Schlüsseldienst.«
    Ich suchte die richtige Nummer in meinem Handy, und Balke verschwand um eine Hausecke. Während ich telefonierte, entdeckte ich auf der gegenüberliegenden Straßenseite im Schatten eines Baumes den Mann in der olivgrünen Armeejacke, den ich vor einiger Zeit schon einmal dort gesehen hatte. Wieder versuchte er so zu tun, als wäre er unsichtbar. Balke stand plötzlich wieder neben mir.
    »In der Küche steht das Fenster offen!«
    Ich bestellte den Schlüsseldienst wieder ab.
    Das Fenster stand nicht wirklich offen, es war lediglich gekippt. Balke schaffte es jedoch, es mit einigen kräftigen Griffen aus den Scharnieren zu wuchten, wobei es zerbrach. Ohne auf die Scherben zu achten, stemmte er sich hoch und war im nächsten Augenblick drin. Bei mir dauerte es etwas länger. Beim Hineinklettern ging noch einiges an Geschirr kaputt, und am Ende blutete meine Hand. Die rechte, diesmal.
    Der alte Mann stand, am ganzen Leib vor Kälte und Aufregung schlotternd, in einem viel zu dünnen, blau-gelb gestreiften Schlafanzug in der Halle. Als Waffe hielt er einen alten Stockschirm in beiden Händen. Es roch, als hätte seine Windel versagt.
    »Helfen Sie mir!«, flüsterte er mit starrem Blick auf die Tür. »Da sind Einbrecher!«
    Erst als ich ihm vorsichtig seine Waffe entwand, wurde ihm bewusst, dass er nicht mehr allein war.
    »Wo ist sie?«, fragte ich so ruhig, wie es meine Stimme nach der Kraxelei erlaubte. »Wo ist Ihre Tochter?«
    Auf einmal so ängstlich wie ein unartiges Kind, schielte er mir von unten her ins Gesicht. »Das Luder macht mir kein Frühstück!«, flüsterte er und wies irgendwohin. »Und sie hat mich heute Morgen nicht gewaschen!«
    Balke lief inzwischen durchs Haus und drückte jede Klinke. Die Tür zum Badezimmer im Obergeschoss war abgeschlossen. Er wartete mit dem Klopfen, bis ich bei ihm war. Niemand reagierte.
    Dieses Mal hielt ich ihn nicht zurück, als er Anlauf nahm.
    Muriel Jörgensen lag komplett angekleidet in einem Meer von Blut. Das Wasser in der Badewanne war bereits eiskalt, aber wider Erwarten lebte sie noch.
    »Sie hat nicht richtig geschnitten«, keuchte Balke und hielt sich die Schulter. »Quer statt längs. Der übliche Fehler.«
    Es dauerte vermutlich nur wenige Minuten, bis der Notarztwagen vor der Tür stand, aber für uns war es eine Ewigkeit. Wir legten Frau Jörgensen auf die Couch im Wohnzimmer, verbanden ihren Arm irgendwie und deckten sie mit allem zu, was wir fanden. Balke trieb

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