Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
vierzehnhundert Euro für den Job hingeblättert hat.«
»Und warum sollte ich Ihnen das glauben?«
»Weil es die Wahrheit ist.«
»Nun gut. Was halten Sie davon, wenn wir uns bei Gelegenheit in Susis Bar treffen und noch ein bisschen plaudern?«
»Und vielleicht die Friedenspfeife rauchen?«
»Ein Gläschen Friedenswein fände ich besser.«
Pretorius lachte. »Heute Abend? Wieder gegen elf?«
»Heute kann ich leider nicht.«
An diesem Abend würde ich mit Theresa in aller Form und gebotenen Ausführlichkeit unsere neue Wohnung einweihen. So verabredeten wir uns für den nächsten Tag, Mittwoch.
»Alle Getränke gehen auf Ihre Rechnung.«
»Akzeptiert.« Pretorius konnte sogar recht sympathisch lachen, musste ich mir eingestehen. »Dank der guten Frau Jörgensen kann ich es mir ja leisten. Bei dem Auftrag bin ich auf einen Stundensatz von fast dreihundert Euro gekommen, habe ich ausgerechnet.«
Etwas entspannter als zuvor wandte ich mich wieder meiner Zeitung zu.
»Weltbekannter Magerquark bei Autounfall ums Leben gekommen«, entzifferte ich die Schlagzeile auf Seite Vier.
Ich fand meine Brille nach zehnminütiger Sucherei auf dem Couchtisch neben dem leeren Rotweinglas. Dummerweise hatte ich sie gestern Abend so auf die Fernsehzeitschrift gelegt, dass ich sie ohne Sehhilfe praktisch nicht erkennen konnte. Wenn das so weiterging, würde ich mich demnächst mit Themen wie Hühneraugenpflastern und Zahnprothesenhaftcreme auseinandersetzen müssen.
Das verunglückte Milchprodukt entpuppte sich als brasilianisches Mannequin, das in der Nähe von München mit dem Ferrari eines Bekannten und bis an den Hals vollgepumpt mit Ecstasy gegen einen Alleebaum gerast war. Wieder einer dieser unglücklichen Menschen, die mit ihrem zu frühen Erfolg nicht klarkamen. Dreiundzwanzig war das Mädchen geworden. Sie war sofort tot gewesen.
Ich konnte nur hoffen, dass die Sängerinnenkarriere meiner Töchter nicht allzu steil verlief. Auf der einen Seite fand ich es gut und lobenswert, dass sie sich Ziele setzten, etwas aus ihrer freien Zeit machten und seit Neuestem sogar die Schule wieder ernster nahmen. Ein wenig eifersüchtig war ich allerdings auf diesen Sam, dessen Nachnamen ich noch immer nicht kannte. Er brauchte nur zu sagen: »Ohne eine gute Ausbildung geht es nicht«, und schon lernten sie, dass einem schwindlig wurde. Ich dagegen hätte denselben Satz tausendmal wiederholen können und nichts weiter erreicht als mitleidiges Lächeln in stereo.
Ich konzentrierte mich wieder auf die Tagespresse. Inzwischen war ich beim Lokalteil angelangt. Das Thema Stalking wurde hübsch groß und ausführlich beleuchtet. Marie von Heerfeldt würde ab heute hoffentlich wieder ihre Ruhe haben.
Beim Umblättern erstarrte ich mitten in der Bewegung.
Minuten später radelte ich eilig die fünfhundert Meter von meiner Wohnung in der Kleinschmidtstraße zur Polizeidirektion. Der Regen hatte aufgehört, und Balke war zum Glück schon in seinem Büro, das er mit Klara Vangelis teilte. Er war nur wenige Augenblicke vor mir angekommen, stand noch in seiner Lederjacke vor der computerisierten Kaffeemaschine und guckte sehr verdutzt, als ich hereinplatzte.
»Dieser angeblich um ein Haar entführte Nikolas«, stieß ich atemlos hervor, »der konnte ja noch nicht wirklich lesen, oder?«
Balke nickte mit einem Blick, als fürchtete er Schlimmes für meinen Verstand.
»Wäre es da nicht denkbar, dass er ein großes D mit einem großen O verwechselt hat?«
Er brauchte drei Atemzüge, um zu begreifen.
»Heidelberg statt Hof!«, stöhnte er dann, schlug sich an die Stirn und ließ seinen gerade frisch aufgebrühten Kaffee in der Maschine stehen. »Viertelstunde! Höchstens!«
Balke hatte keine Chance, sein Versprechen einzuhalten, denn in der Nacht war unser komplettes Computernetz abgestürzt. Ich nutzte die E-Mail-lose Zeit, um rasch zwei Flaschen Sekt und ein wenig Knabberzeug zu besorgen und in unserem neuen Liebesnest zu deponieren. Noch am Samstag hatte ich einen kleinen Kühlschrank gekauft sowie einige Kunstdrucke, von denen ich hoffte, dass sie Theresa gefielen. Auf dem glänzenden Nussbaumparkett des Schlafzimmers lag inzwischen auch eine Matratze. Zwei gepolsterte Klappstühle, Kissen, eine überbreite Bettdecke und was für die Einweihungsparty sonst noch nötig war, hatte ich zu Hause im Keller gefunden. Inzwischen roch man das auch kaum noch.
Endlich würden wir wieder richtig Zeit füreinander haben. Keine Fahrerei
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