Alexander Gerlach 09 - Das vergessene Maedchen
Ferrini.«
Gemeinsam betraten wir mein Büro. Die Zeugin war nervös und sichtlich froh, sich setzen zu dürfen. An ihrer rehbraunen Handtasche schimmerte dezent das Prada-Emblem. Sie zupfte an ihrem eine Spur zu kurzen Rock herum und arrangierte drei Mal die Beine um, bis sie mit der Position zufrieden war.
»Angelina Ferrini«, stellte sie sich in akzentfreiem Hochdeutsch vor. Sie hatte eine angenehme, volle Stimme. »Sie wollen was über Carsten wissen, hat Sven gesagt.«
Sie lächelte zu meinem Mitarbeiter hinauf, der neben ihrem Stuhl stand und ihr moralisch den Rücken stärkte. Er lächelte beruhigend zurück und sah sie an, als würde er demnächst ihre Wange tätscheln.
»Sie kennen Herrn Gröwer?«, fragte ich, bevor man tätlich wurde.
Sittsam schlug sie die dunklen Augen nieder. »Es ist mir jetzt ein bisschen unangenehm. Carsten … Ich hab mal was mit ihm gehabt, das stimmt. Muss ich …« Sie sah mir kurz und ängstlich in die Augen. »Ich muss aber nicht vor Gericht oder so?«
»Aber nein!« Ich lachte heiter. »Davon ist überhaupt keine Rede. Es geht uns nur um ein paar allgemeine Informationen.«
»Er hat also nichts verbrochen oder so?«
»Wirklich nur eine Routineangelegenheit. Außerdem genießt er als Abgeordneter ja Immunität.«
Sie nickte dankbar. Aber auf den Kopf gefallen war sie nicht. »Was ist das denn für eine Lappalie?«
»Darf ich leider nicht sagen. Das kennen Sie sicher aus dem Fernsehen.«
»Geht’s um … eine Frau?«
»Nicht so, wie Sie vielleicht denken.«
Ihr Blick irrte ab. Sie hielt sich an ihrer Handtasche fest. Ihr Parfüm war um zwei Nuancen zu dick aufgetragen. »Beim Carsten geht’s ja irgendwie immer um Frauen.«
Ich lehnte mich zurück, um eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. »Was ist Herr Gröwer denn für ein Mensch?«, fragte ich im Guter-Onkel-Ton.
»Was wollen Sie denn wissen?«
Es war ein teures Parfüm. Es roch gut. Aber es war entschieden zu viel.
»Was Ihnen einfällt«, erwiderte ich milde.
»Untreu ist er«, stieß Angelina Ferrini unvermittelt hervor. »Der Carsten ist einer von diesen Kerlen, die sich ständig beweisen müssen, wie toll sie bei Frauen ankommen. Aber ich bin ja selber schuld, ich doofes Huhn, dass ich auf ihn reingefallen bin. Eine Freundin hatte mich sogar gewarnt vor ihm.«
»Hat er bestimmte Vorlieben, was Frauen betrifft?«
»Der?« Sie lachte kalt und musterte mich finster. »Der nimmt jede. Jede, die gut aussieht. Und schlank muss sie sein. Nicht zu moppelig jedenfalls. Was er gar nicht leiden kann: wenn eine zu schnell nachgibt. Wenn eine gleich die Beine breitmacht, dann verliert er das Interesse. Man muss ihn zwei, drei Tage zappeln lassen. Dann ruft er einen ständig an. Jeden Tag habe ich einen Megastrauß rote Rosen gekriegt, jeden Tag. Und wenn er gehabt hat, was er will, dann kann man praktisch die Tage zählen, bis es ihm langweilig wird.«
»Steht er eher auf … junge Frauen?«, fragte ich so beiläufig wie möglich.
Ihr Blick wurde noch eine Spur finsterer. »Sie meinen, zu junge Frauen?« Mit einer filmreifen Bewegung strich sie sich eine dunkle Locke aus dem Gesicht.
»Zum Beispiel«, erwiderte ich, ohne sie anzusehen. In diesem Moment bewegte ich mich auf gefährlich dünnem Eis.
»Ja«, sagte sie nach kurzem Nachdenken und nickte zur Bestätigung zweimal heftig. »Wenn er zu mir gekommen ist, dann musste ich mich immer anziehen, als wäre ich ein Teenie. Und er mag es auch, wenn man frech zu ihm ist. Schmollmündchen und Kulleraugen, so was macht ihn scharf.«
Ich wechselte mit Balke einen unauffälligen Blick, der ihr jedoch nicht entging.
»Wie war das denn, als Sie sich getrennt haben?«, fragte ich gemütlich.
»Ganz einfach war das: Auf einmal hat er sich nicht mehr gemeldet. Seine Tippse in Berlin hat ihn verleugnet, das Handy hat er nicht mehr abgenommen. Irgendwann ist dann immerhin eine kurze SMS gekommen. Es liegt nicht an mir, ich bin eine tolle Frau. Das übliche Blabla. Er fühlt sich noch nicht reif für eine feste Bindung. Nehme an, er hat den Text als Vorlage gespeichert.«
»Sie wussten, dass er verheiratet ist?«
»Klar wusste ich das. Aber er hat diese Verena doch bloß wegen ihrem Geld geheiratet. Der Carsten, wissen Sie, er kommt aus einfachen Verhältnissen, wie ich auch, und da muss man strampeln, wenn man nach oben will. Da darf man nicht zimperlich sein.«
Was nicht ganz stimmte, denn Gröwer stammte aus einer wohlhabenden Familie. Aber wahrscheinlich
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