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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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wohin?«
    Ein Räuspern. Tekhnef blickte auf; neben ihr stand der Bärtige, dem das linke Ohr fehlte. Er hielt einen Becher in der einen und einen Krug in der anderen Hand.
    »Darf ich mich zu euch setzen?«
    Dymas hob die Schultern; Tekhnef nickte und wies auf einen unbenutzten Schemel.
    »Es muß die Umgebung sein«, sagte der Fremde. Er setzte sich und goß Wein aus dem Krug in alle drei Becher.
    »Was muß die Umgebung sein?« Tekhnef betrachtete ihn aufmerksam; plötzlich kniff sie die Augen zusammen. »Ich kenne dich ... Aus Asien?«
    Er lächelte; es war ein angenehmes Lächeln, und Dymas spürte eine kurze Regung. Nicht Wiedererkennen, sondern jenes Neu-Erkennen, das einem sagt, ein fremder Freund ist erschienen, mit dem lange Nächte des Redens und Trinkens zu genießen wären. Aber die Regung wurde sofort wieder von der klammen Teilnahmslosigkeit erdrückt.
    »Aus Asien, ja.« Er deutete auf sein Ohr. »Dieser häßliche Mangel war damals allerdings noch nicht eingetreten.«
    »Wo hast du das Ohr gelassen?«
    »Bei Halikarnassos, schwarze Göttin. Ich habe eine halbe Ile thessalischer Reiter geführt – bis dorthin. Gehört habe ich euch, und gesehen, natürlich, an vielen Plätzen auf dem Marsch des Beginns – zwischen Pella und Sestos, bei Abydos, auf dem Weg zum Granikos. Dann nicht mehr.« Er zögerte. »Damals habe ich euch bewundert –«
    Dymas lachte. »Du bist sehr höflich, Fremder.«
    »Jason.«
    Dymas nickte und schwieg; Tekhnef verwickelte den Thessalier in ein längeres Gespräch, dem der Musiker nur zerstreut lauschte. Es war eine der üblichen Geschichten, mit einigen unüblichen Teilen. Jason, Fürst einiger Bergdörfer und Burgen am Osthang des unwirtlichen Pindos-Gebirges zwischen Thessalien und Epeiros, war dem Ruf des Königs gefolgt, der auch gewählter Oberherr Thessaliens war. Unter Kalas, später unter dem Lynkesten Alexandros, immer unter Parmenion hatte er am Granikos gekämpft, bei Milet, in kleineren Scharmützeln auf dem Weg, dann bei der Belagerung von Halikarnassos und Kämpfen in der Umgebung; er war verwundet worden – der Säbelhieb eines persischen Reiters. Drakon hatte ihn geheilt, soweit es nicht das Ohr betraf. Dann war eine Botschaft eingetroffen, von seinem Verwalter: Ein Fieber hatte die Fürstin geraubt, seine kluge, zerbrechliche Frau, von der er mit Wärme und Traurigkeit sprach. Ein neunjähriges Mädchen und ein siebenjähriger Junge, die Burg, das Land, die Bewohner ... So hatte er, als Alexander die Neuvermählten des Heers für den Winter in die Heimat schickte, vom König den Abschied erbeten.
    »Es wird ein kalter, ruhiger Winter werden; ohne Geschichten außer denen vom Landbau und den Herden, ohne Musik, ohne sie, an die mich die Kinder immer erinnern werden.« Jason leerte seinen Becher, füllte wieder nach und hob die Schultern. »Aber genug von mir. Wo werdet ihr den Winter verbringen?«

    Zehn Tage später erreichten sie Jasons Burg, einen grauen Kasten auf grauem Fels, umgeben von grauen Quadermauern, erbaut aus grauen Bruchsteinen und altersgrauen Eichenbalken, unter grauem Himmel an einem grauen Hang. Das Land, über das Jasons Vorfahren seit Jahrhunderten geherrscht hatten, war arm und karg – Dörfer mit Bergbauern, die Ziegen und Schafe besaßen, ein wenig Wein an Steilhängen, Gemüse und Getreide auf terrassierten Feldern, ein langes schluchtartiges Tal voller Eichen, unter denen sie Schweine weiden ließen, eine versteppte Hochebene für Pferde, ein Steinbruch, eine Zinngrube und zwei fast erschöpfte Silberadern. Fünfzig harte Kämpfer, furchtlose Reiter, waren mit ihm aufgebrochen. Drei hatten den höchsten Preis entrichtet und die höchste Ehre errungen; acht, alle mit Verletzungen aus den Kämpfen in Asien, ritten mit ihm zurück. Sie brachten Grüße von den übrigen, und sie brachten neben Geschichten, Beuteteilen, Münzen und Ehren etwas mit, das mehr wog als alle Erfahrungen und Metalle: Für ihre und ihres Fürsten Tapferkeit hatte Alexander Jasons Herrschaftsgebiet für fünf Jahre von allen Abgaben befreit.
    In den Dörfern, durch die sie kamen, wurden der Fürst und die Kämpfer herzlich, fast liebevoll begrüßt. Sehr ersichtlich kehrte hier kein Tyrann heim. Er strahlte, wenn er die Männer in ihren Dörfern entließ, mit ein paar guten Worten, ein paar Münzen aus eigener Tasche, einer flüchtigen Umarmung; er lächelte, wenn unterwegs bei einem einsamen Bauernhof Wasser, Wein, Brot und der köstliche Schinken des Landes

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