Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
gereicht wurden; er schwieg, als sie sich unter grauem Himmel der Burg näherten, auf einem schmalen Weg voller Geröll; er weinte, als er seine Kinder umarmte und an sich preßte; er blieb lange stumm, nachdem er am Grab der Frau gestanden hatte, die neben seinen Eltern und Großeltern und Urahnen lag.
Die Burg war klein, bei aller äußeren Kargheit aber innen behaglich und geschmackvoll. In den äußeren Mauern waren Ställe für Vieh und Pferde, daran schlossen sich im gepflasterten Hof die aus einem wilden Gemisch von Bruchsteinen, Ziegeln und Holz gebauten Werkstätten und Wohnungen der Diener an, die ihren Herrn allesamt wie einen besonders geliebten, besonders vermißten Bruder oder Vetter, nicht aber wie einen Herrscher empfingen. Der kaum als Palast zu bezeichnende innere Teil der Burg, ebenfalls aus Steinen, Ziegeln und Holz gebaut, war dreigeschossig. Statt Türen gab es schwere Ledervorhänge; die Gänge und Säle waren mit bunten Wollteppichen ausgelegt; die Räume enthielten jeweils ein breites Bett – lederbespannte Holzrahmen, mit Kissen und Decken –, eine oder mehrere uralte beschnitzte Truhen, Waschtisch mit Krug und Schale, Nachtsitz für die Notdurft. Im Hauptraum hingen neben dem gemauerten Kamin alte, rostige, schartige Schwerter und Messer, Kampfäxte und Speere der Vorfahren, an den Seitenwänden teure Teppiche aus fernen Ländern. Es gab einen großen schwarzen Tisch, und Scherenstühle aus geschnitzter Eiche und weichem verzierten Leder. Klinen fehlten – in Thessaliens Bergen lag man nicht zu Tisch.
Dymas bemerkte alles, mit dem geübten Blick, verzeichnete es gewissermaßen, blieb aber losgelöst und unberührt. Auch als er sah, daß die nach den Eltern benannten Kinder Philinna und Jason – wohlerzogen von der verstorbenen Mutter, zurückhaltend gegenüber den Fremden, dabei aber freundlich, liebevoll gegenüber dem heimgekehrten Vater, insgesamt nicht zu vergleichen mit den oft verzogenen, rotzigen Bälgern aus makedonischen Fürstenhäusern – nach wenigen Stunden Tekhnef zu lieben begannen und daß die Ägypterin sich veränderte, umgeben von den Kindern, die sie selbst nie würde haben können, verharrte er in seiner dumpfen Teilnahmslosigkeit. Abends saßen sie vor dem Feuer im großen Raum; manchmal machten sie Musik, nicht besser und nicht schlechter als in Larissa, und Jason berichtete von den Dingen des Landes. Von der Einsamkeit und den harten Wintern, unfreundlichen Nachbarn, Räubern aus Epeiros (in den meisten Dörfern standen »epeirotische Fichten«, so benannt, weil man an ihnen Räuber zu hängen pflegte), von Bären und Wölfen – all den Dingen, die die Bewohner gelehrt hatten, daß nur der überleben konnte, der mit den anderen gut zusammenarbeitete; von den Handelsgütern des Landes – Schinken, Würste, Holzkohle, Bausteine, leichter Wein, Pferde und Metalle –, die sie gelehrt hatten, daß weitgereiste Händler schlimmer sind als Wölfe, Bären und Räuber zusammen; von den Aufgaben des Fürsten, der überall Hand anlegte, im Steinbruch wie bei der Bärenjagd, und der alle Verhandlungen mit fremden Händlern für seine Leute führte, wofür er fünfzehn Hundertstel des Ertrags erhielt – den Zehnten für den Herrscher, für fünf Jahre erlassen, und den Zwanzigsten für sich.
Dymas begriff die Veränderungen in Tekhnef; er wußte auch, daß sie nur deshalb eintraten, weil er nicht mehr der Dymas war, den sie acht Jahre geliebt hatte. Oder jedenfalls, daß diese Veränderungen anders verlaufen wären, wenn nicht er sich zuvor verändert hätte. Er bemühte sich halbherzig, an den Gesprächen zwischen Jason und Tekhnef teilzunehmen. Am Tag nach einem Abend, da Tekhnef die Kinder besonders liebevoll verabschiedet und sich mit Jason besonders innig unterhalten hatte, brachte er sogar ein wenig Energie auf – genug, um mit einem alten Diener über den Bergpfad zu reden, der nach Epeiros führte; genug, um abends etwas zu spielen, was fast wie Musik klang; genug für erstaunte Blicke von Tekhnef und Beifall von Jason, als er Verse sang, zu einer wehmütig fernen Melodie – Verse, entstanden aus einer albernen Geschichte, die ein Händler in Larissa erzählt hatte.
»Sonne, leab wohl!« Kleombrotos aus Ambrakia rief es,
stürzte zum Sterben sich dann hoch von der Mauer herab.
Ach, er hatte kein furchtbares Unheil erlebt, nur die Zeilen
Platons gelesen, worin der die Unsterblichkeit preist.
Niemand behaupte, es hole der Tod nur die Guten zu eilig.
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