Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
liegt ein Trottel im Grab; schlag darauf dein Wasser ab.
In dieser Nacht begann es zu schneien; in dieser Nacht versuchten Tekhnef und Dymas, zum ersten Mal seit vielen Nächten, der Göttin der Liebe ein tätiges Opfer zu bringen, aber vergebens.
Es schneite zwei Tage lang; am Nachmittag des dritten Tages brach aus dem Westen ein Sturm über das Land, blies den Schnee von den Bergen, türmte ihn um die Burg und im Hof zu Wällen. Abends hatte Dymas keinerlei Hunger; etwas bohrte und sengte in ihm. Er wollte es mit Wein ertränken und spürte zum ersten Mal nach langer Zeit eine Art Wirkung; vielleicht bildete er es sich aber nur ein. Tekhnef und Jason saßen einander am Feuer gegenüber; Dymas wußte nicht, was Miene war und was Spiel der Flammen, wollte es aber auch nicht wissen. Halb betrunken ergriff er die Kithara; die Finger, die ihm nicht gehorchten, spielten eigene Töne, befremdlich, keiner ihm bekannten Tonart zugehörig. Das Lied, das er sang, war ihm ebenfalls unbekannt, und vielleicht sang nicht er, sondern es – irgendein es.
Schau, man hat eine der hoben Zedern zerschnitten.
Duftholz wurde sie für die Gewänder der Gattin,
Truhen und Speerschäfte und ein herrlicher Aulos,
Rahmen für eine Lyra, Bogen für Pfeile,
Balken im Schiff, ein Wanderstab für den Sänger,
kunstvoll gedrechselter Phallos für einsame Nächte,
Pflöcke in Deichseln und ein Gestell für Papyros
– dieses und mehr. Nur ein paar Fetzen von Borke,
Wurzeltrümmer und Zweige sind noch geblieben,
treiben durch eisige Nacht in schwarzem Gewässer,
steuerlos, vollgesogen. Bald bin ich ertrunken.
Irgendwann in dieser Nacht erwachte er von zuviel Wein; das Bett war neben ihm leer. Er leerte seine Blase in den Nachtbottich und stand eine Weile reglos neben der Truhe. Dann nahm er Krug und Waschschüssel vom Tisch. Aus dem Hohlgürtel und mehreren Beuteln holte er die Münzen, teilte sie in zwei gleich große Mengen, verstaute eine Hälfte wieder, schob unter die andere, einen stattlichen Berg im Wert von mehr als dreitausend Drachmen, den Papyros aus Larissa mit der Aufschrift Guthaben von Tekhnef der Schwarzen, Ägypten. Die übrigen Dinge – Kurzschwert, Messer, Ersatzkleidung, die Felltasche mit der Kithara – waren schnell gesammelt.
Er verließ das Zimmer, das er mit Tekhnef geteilt hatte. Etwas, das er nicht benennen konnte, trieb ihn dazu, den Ledervorhang vor Jasons Tür vorsichtig, unmerklich anzuheben. Ein letzter Blick auf die Geliebte vieler Jahre? Ein Zwang, sich selbst zu quälen? Das Bedürfnis, die Demütigung auszukosten, einen Stachel ins Fleisch des Niemand zu treiben – Stachel, der Widerhaken haben würde, den Niemand nicht herausreißen konnte, der Niemand foltern und vielleicht zum Leben zwingen oder endlich in das Dunkel des Vergessens und Nicht-Mehr-Seins stoßen würde.
Zwei Öllichter brannten in Jasons Raum; als er den Vorhang bewegte, zitterten die Flammen. Als er den Vorhang bewegte, hörte er, was das schwere Leder zurückgehalten hatte. Was er hören wollte und zu hören haßte. Sah, was zu sehen er ersehnte und fürchtete; was ihn einen Atemzug lang schweben ließ und dann in den Abgrund stürzte.
Er hörte das tiefe, bauchige Knurren des Thessaliers und das kehlige Keuchen der Ägypterin. Sah Tekhnef auf Jason in jener Haltung, die Hellenen »phönikische Stellung« nannten. Ahnte den Kopf zwischen ihren Schenkeln, den Phallos in ihrem Mund.
Der alte Diener, verschlafen, aber nicht überrascht, half ihm, die Hufe des Pferdes mit Decken zu umwickeln, als eine Art von Schneeschuhen. Er brachte ihm Getreide, Brot und kalten Braten, füllte die Lederflasche mit Wein und öffnete das Tor. Der Sturm hatte geendet; in der klaren kalten Vollmondnacht war die Lücke zwischen den Gipfeln, wo der Bergpfad nach Epeiros führte, deutlich zu sehen.
Die Stadt, die mit den hellenischen Gebieten Süditaliens jenseits des Meeres Handel trieb, hieß Dyrrhachion und Epidamnos, wurde als Tochterstadt von Korkyra und Korinth beansprucht, von beiden im Wettbewerb um Handelsgüter gehaßt und durch Niederlassungen für den Güterverkehr mit den illyrischen Ländern genutzt. Die Fürsten der Taulantier verfluchten die in ihrem Gebiet liegende stark befestigte Stadt, die ihnen trotzte, schätzten bisweilen die dort gebotenen vielfältigen Lustbarkeiten und priesen den Hafen und die Händler, die feine Dinge ins Land brachten und Wegezoll zahlten, ohne allzu laut mit den Zähnen zu knirschen. Die Taulantier
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