Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Ägypter, Kuschiten, Garamanten, Maken, Aithiopier; und einige tausend Makedonen, nicht zu vergessen, die das willkommene Gefühl, willkommen zu sein, um das nützliche Gefühl der Sicherheit ergänzten.
Aber all dies sah Drakon nicht wirklich, weder die tausend verschiedenen Arten der Be- und Entkleidung, noch die Boote und Barken und Flöße und Lastkähne und Frachtsegler und Kampfschiffe, noch auch das aufgeputzte breite Boot einer Gruppe von Gauklern, Musikern und Schlangenmenschen. Blind ging er vorbei am Laden eines Mannes, der sha- Messer schmiedete und schliff – jene geschwungenen, oft wundersam verzierten Klingen, mit denen die Schreiber ihr Ried spitzten und die Papyrosmacher das Mark in Streifen schnitten; blind für den Holzwerker, der Schiebekästen zur Aufbewahrung von Schreibried und Tinte verfertigte; blind für den breiten niedrigen Tisch des Verkäufers erlesener Töpfereien – Spindelfläschchen für Duftwässer, spitze oder kegelförmige Rhytone mit wulstigem Rand, aus denen Ägyptens Bier so gut mundete, Bauchgefäße für Weihrauch; blind für Perlarmbänder und Elfenbeinschnitzer und Goldschmiede, für Brotverkäufer und Dirnen und Kamelscherer. Selbst den Gruß der Wachen, die ihm den Eingang zum Königspalast freigaben und den er erwiderte, nahm er nicht wirklich wahr, die Standbilder von Göttern und Königen und Löwenmännern, die Säulen und die verzierten Bögen... Später schrieb er alles getreulich auf, als habe er es gesehen an diesem Nachmittag; er hatte es oft gesehen, und schließlich kam es nicht darauf an, ob das Bild, das er Aristoteles übermittelte, diesem Tag entnommen war oder einem anderen.
Nach kurzer Rückkehr aus der westlichen Wüste hatte Alexander sich nur kurz in Memphis aufgehalten. Drängende Nachrichten aus Syrien, wo man erfahren hatte, daß Dareios ein neues, noch weit gewaltigeres Heer zusammenzog; lästige Nachrichten aus Hellas, wo es dem Spartaner Agis gelungen war, die gesamte Peloponnes bis auf Megalopolis hinter sich zu sammeln und den von Antipatros entsandten Strategen Korragos zu besiegen; dazu der Wunsch – das Sehnen Alexanders –, vor dem Aufbruch nach Asien noch einmal die von ihm und dem Baumeister Deinochares entworfene neue Stadt und die ersten Bauabschnitte zu sehen: All dies hatte den König getrieben, neben seiner gewöhnlichen Unruhe. Er hatte einige Stunden mit Barsine verbracht, die der Schonung und Behandlung bedurfte, nach einer Fehlgeburt, zu früh und blutig. Er hatte Drakon zurückgelassen, der sich um das Wohl der Iranerin kümmern sollte; aber er hatte ihm gewisse Dinge nicht gesagt – Dinge, die Barsine nun wissen wollte.
Und in der Nacht, nach langer Untersuchung, nach umständlicher Zubereitung von Heiltränken und Kräuterumschlägen und Flüssigkeiten zur Reinigung des wunden Leibes, war dem Arzt beinahe eine Schale mit dem schmerzstillenden, beruhigenden Gebräu aus Silphion, Sesamöl, Kinnamon, dünnem Wein und anderen Zutaten aus der Hand geglitten, als Barsine eine Frage stellte, die sie nicht hätte stellen dürfen. Nicht hätte stellen können dürfen sollen ... Sisygambis, Mutter des Dareios, bei der Behandlung anwesend und der Tochter des Artabazos offenbar liebevoll zugetan, hatte keine Miene verzogen; auch sie wußte.
Die halbe Nacht hatte Drakon damit verbracht, Demaratos zu suchen, und mindestens eine weitere Stunde darauf verwendet, den alten Korinther halbwegs nüchtern zu bekommen. Er trieb, als Drakon ihn kurz vor dem Morgengrauen fand, lallend und grölend in einer Papyrosbarke flußabwärts, schon zwei Parasangen unterhalb von Memphis, von Wehmut, Wein und Wahnsinn erfüllt, bellte in den nicht mehr ganz vollen Mond, die Füße auf dem Schoß eines sohlenkitzelnden Eunuchen, den Kopf auf den Knien einer fleischigen Kuschitin. Alle, die außer Demaratos um Rat hätten gefragt werden können, waren weit – Nearchos und Antigonos der Einäugige in ihren Satrapien, mit der Sicherung der Wege und des Nachschubs befaßt, Antipatros irgendwo zwischen Pella und Megara unterwegs; Seleukos und Leonnatos und Laomedon wo auch immer, einer in Syrien, der andere in Phönikien, der dritte – oder erste, je nachdem – wahrscheinlich bei Alexander, wie auch Ptolemaios der Lagide, der als einziger der in diesem Zusammenhang wichtigen Männer den Ritt zur Oase, zum Ammoneion mitgemacht hatte. Als einziger neben Drakon.
In dieser Klemme hätte der Arzt notfalls sogar Aristandros befragt, aber der listige
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