Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Telmessier, dessen Orakeldeutungen immer großartiger wurden, war mit der Taxis des Perdikkas bereits nach Phönikien aufgebrochen. Drakon schnaubte, als er der glänzenden Leistung des Sehers auf dem Boden dessen gedachte, was die große Stadt Alexandreia an der ägyptischen Küste werden sollte. Dort hatten Alexander und Deinochares nördlich des alten Dorfs Rhakotis einen symmetrischen Plan in den Boden geritzt, mit Straßenzügen, die einander im rechten Winkel so schnitten, daß die frischen Winde möglichst viele Teile erreichen konnten. Alexander hatte Kalk genommen, um die Mauern und Plätze und Hauptstraßen zu kennzeichnen, bis ihm der Kalk ausging; man brachte ihm Körbe mit Gerstenkörnern. Als er diese nun ausstreute, erschienen aus allen Richtungen tausend Arten von Vögeln, die das Korn vertilgten. Der König war ergrimmt, die abergläubischen Krieger waren entsetzt; Aristandros verkündete ohne Zögern, die neue Stadt werde nach dem Willen der Götter Menschen aus allen Weltteilen und Völkern anziehen und ihnen Arbeit, Unterkunft und Nahrung geben.
Er seufzte mehrmals tief; auch der Einfallsreichtum des Telmessiers konnte ihm nicht helfen. Langsam durchquerte er einen Säulenhof, dann den nächsten; überall standen Wachen – Männer aus der Taxis des Krateros; auch sie würden in den nächsten Tagen abmarschieren und durch andere ersetzt werden; überall huschten Sklaven umher; der lange Gang, dessen Boden aus gelblichen Quadern bestand, hallte von seinen Schritten, und das Echo schien seltsam gebrochen durch die Standbilder von Fürsten und Ungeheuern.
Und was hatte Demaratos schließlich gesagt: »Sieh zu, daß du erfährst, was die Frauen wissen; dann sag ihnen, was du für sinnvoll hältst. Und gib mir schnell Bescheid.«
Drakon murmelte »baah«; dann betrat er die Gemächer Barsines. Hinter ihm schlossen Diener die Tür. Die iranische Fürstin hatte in einem der Palasttürme gewohnt, mit wunderbarem Blick über Stadt und Fluß, und mit entsetzlicher Hitze. Drakons Anweisungen waren sofort widerspruchslos ausgeführt worden: Umzug in ein helles, luftiges Geviert von Räumen an einem Innenhof mit Brunnen und Pflanzen. Schlechterer Blick, aber bessere Luft. Vermutlich hatte Alexander, drei Tage früher in Memphis eingetroffen als die meisten seiner Begleiter und längst abgereist, als Drakon ankam, unbedingten Gehorsam gegenüber dem Arzt befohlen.
Barsine entließ ihre Dienerinnen, als Drakon eintrat. Sie sah besser aus als in der Nacht, hatte tief geschlafen bis zum Mittag, das Fieber war gesunken, und die von einem samischen Metzeler, dem man die Hände abhacken sollte, bei der Ausschabung angerichteten Wunden schienen zu heilen, statt weiter unangenehme Flüssigkeiten und Hitze abzusondern.
»Ich danke dir, Herr der Wundertränke.« Barsine lächelte matt, als Drakon sie wieder bedeckt hatte und einen weiteren Trank zu bereiten begann.
»Es ist mir eine Freude, dir zu helfen, Fürstin – und eine Pflicht. Also dank nicht mir. Wo ist Sisygambis?«
»Sie wird bald kommen.«
»Dann laß uns mit der, hm, Erörterung der schwierigen Dinge warten, bis die Mutter des Großkönigs bei uns weilt. Es erspart uns Wiederholungen.«
»Was hast du mit dem Mann aus Samos angestellt?«
Drakon verzog das Gesicht. »Dieser Zermetzeler gesunder Körperteile wird seine Tage auf der Elefanteninsel beenden. Der Nauarch Hegelochos brachte neben Nachrichten auch einige besonders hartnäckig makedonenfeindliche Politiker von den Inseln vor Asien mit – Chios vor allem. Alexander hat sie auf diese Nilinsel verbannt.« Er kicherte. »Vielleicht bringt der Samier einige von ihnen um, in der Ausübung seiner angeblichen Heilkunst. Dann könnte man ihn begnadigen.«
»Erzähl mir von den Dingen in Hellas.«
Drakon hob die Schultern; er schnüffelte an dem Napf, dessen Inhalt sich bräunlich färbte. »Agis hat einen von Antipatros entsandten Strategen besiegt. Das wußtest du schon? Ah. Viel mehr ist nicht zu sagen. Die Peloponnes, mit wenigen Ausnahmen, ist in Aufruhr; Agis wird das bundestreue Megalopolis belagern, so heißt es jedenfalls. Aber wichtiger ist, daß Athens Ohren taub sind. Demades, der jetzt die Staatseinkünfte hegt, hat seinen Mitbürgern klarmachen können, daß es eine sinnlose und blutige Vergeudung wäre, Athens mächtige Flotte den Spartanern zu Hilfe zu schicken. Er hat wohl einiges Gelächter geerntet mit der Bemerkung, die letzten Jahrhunderte hätten erwiesen, daß Sparta mit
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