Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
dann möchtest du ihm die Füße küssen und gibst ihm in allem recht.«
Drakon fühlte sich unbehaglich. Darmverschlüsse, abgetrennte Beine, das Aushecken verwickelter Ränke, all dies war leicht und harmlos im Vergleich zum Versuch, Einblick in Alexanders Geist zu gewinnen. Er seufzte.
»Du hast von Unruhe geredet.«
»Haben die ihn in Siwah wirklich zum Gott erklärt? Oder war das nur« – er schnippte – »heiße Luft für Hellas?«
»Nein; es stimmt schon. Das Ammoneion hat ihn zu Ammons Sohn, König und Gott erklärt. Das war unerwartet; nicht ... geplant. Ich weiß nicht, was ich davon halte; was ich davon glaube. Aber – nun gut; was hat das mit der Unruhe zu tun?«
Halblaut, schnell, als stolperten die Wörter hastig von seiner Zunge, sprach Krateros vom Friedensangebot des Dareios, und der Ablehnung. Alle Länder westlich des Euphrat, Gold, Friede und Freundschaft – mehr, als Philipp je geträumt, mehr, als der Korinthische Bund je gewünscht hatte. Eigentlich sei der gesamthellenische Rachefeldzug beendet – das Nahe Asien, Phönikien, Syrien, nun auch noch Ägypten; mehr könne man eigentlich diesseits der Unterwelt nicht erreichen. Es werde nun alles zu einem Eroberungszug Alexanders – einem persönlichen Eroberungszug – losgelöst von Hellas, losgelöst auch von den Anliegen Makedoniens. Deshalb Parmenions Widerspruch, als Alexander das Angebot abschlug; und der Widerspruch werde von vielen im Heer geteilt. Auch von vielen Makedonen, nicht nur von hellenischen Kämpfern.
»Aber Parmenion hat doch inzwischen zugegeben, daß Alexander recht hat – als Stratege«, sagte Drakon. »Daß Persiens eigentliche Macht jenseits des Euphrat beginnt. Daß der Friede erst sicher ist, wenn die Mitte der persischen Macht getroffen wird. Daß Dareios hinter dem Euphrat jahrelang rüsten und dann, wenn es für ihn am günstigsten ist, mit einem wirklich guten, riesigen Heer bis nach Hellas vorstoßen kann.«
Krateros hieb auf die Brüstung. »Ja, ja, ja. Stimmt schon; aber – das dumpfe Gefühl bleibt. Und jetzt wird es zur Unruhe.«
»Warum, bei allen Göttern?«
»Weil er sich verändert ... Weil, ach, sagen wir’s doch geradeheraus. Er ist jetzt ein Gott, was? Nicht daß ich viel von Göttern hielte, aber es geht um die Männer. Die alten Kämpfer, die erfahrenen Offiziere, die jahrelang unter Philipp gedient und den König verehrt haben. Sie lieben und verehren Philipps Sohn, sie folgen ihm; ein Blick, ein Wort von ihm, und sie schwimmen durchs Meer oder waten durch Feuer. All das, ja; weil er Alexander ist, weil er so ist, weil seine Augen so sind. Weil er Makedoniens König ist. Aber« – Krateros packte Drakon an den Schultern und schüttelte ihn – »jetzt ist er ein Gott, ja? Sohn des Ammon, wie? Pharao, bah. König und Gott. Wir, verstehst du, sind Makedonen. Wenn er ein ägyptischer Gott werden will, fein, soll er; wir gehen dann mit Parmenion nach Hause. Das sagt nicht Krateros, Freund, das sagen die Männer. Nicht alle, aber viele. Und sie sagen noch etwas. Wenn er Sohn Ammons ist – der mag auch Zeus sein, aber letzten Endes ist er ein ägyptischer Gott – also, wenn Alexander Sohn Ammons ist, dann ist er nicht mehr Sohn Philipps! Er lästert und verleugnet den großen König, dem so viele so lange gefolgt sind. Er ist Makedoniens Herrscher, weil er gewählt wurde; er wurde gewählt, weil er gut und fähig ist – und Philipps Sohn. Wenn er nicht Sohn Philipps, sondern Sohn Ammons ist, entzieht das allem die Grundlage! Verstehst du? Verstehst du das, Mann? Weiß er, weiß Demaratos, weiß Hephaistion – ah, der weiß nichts! -, weiß der engste Kreis, daß Alexander im Begriff ist, barfuß über Lanzenspitzen zu gehen?«
»Ich will versuchen, es ihm zu sagen.« Drakons Stimme war hohle Schwärze und Müdigkeit.
9. ZWISCHEN DEN STRÖMEN
In einem der entlegenen Täler, die dem Lagos gehörten, hatte Ptolemaios als Junge etwas gesehen, das ihm immer häufiger wieder einfiel. Oberhalb der Hütten – vielleicht ein Dutzend – erstreckte sich der Berghang in den Himmel, wie es dem Jungen erschien; von der gegenüberliegenden Seite war es nicht mehr so gewaltig, aber immer noch beeindruckend. Es mußte dort einmal ein Wald gestanden haben, im Lauf der Jahrzehnte abgeholzt, zu Bauholz und zum Feuern verwendet, bis auf einige kränkliche Stämme, die wie vergessene Posten am Hang standen, oder lehnten. Ziegen und Schafe hatten den kleineren Bewuchs entfernt – Unterholz,
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