Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
schließlich dieses neue Hellas gegenüber Persien und den ewigen Einmischungen der Großmacht Asiens sichern.
Aber was wollte Alexander? Der von Philipp erreichte oder erzwungene Auftrag des Korinthischen Bundes, einen gesamthellenischen Sühnefeldzug zu unternehmen und die Schändung hellenischer Heiligtümer durch Xerxes vor hundertfünfzig Jahren zu rächen – nun ja, nicht einmal die hellenischen Bundestruppen nahmen das besonders ernst. Daß der König Makedoniens auch tagos von Thessalien und hegemon sowie strategos autokrator des Bundes war, sicherte ihn irgendwie – aber sehr »irgendwie« – rechtlich ab; Philipp und Alexander hatten nicht unbedingt die Thessalier – deren nachbarschaftlicher Dank für Befreiung von kleinen Tyrannen eine Rolle spielte –, jedenfalls aber die Hellenen zu diesen Ernennungen gezwungen. Den Feldzug führte Makedoniens König mit einem makedonischen Heer, in dem der Anteil hellenischer Bundestruppen geringer war als die Anzahl hellenischer und fremder Söldner, die nicht dem Bund, sondern dem König unterstanden. Alexanders Rolle in der hellenischen Politik, ausgeübt durch seinen Vertreter Antipatros, war die des Herrschers, nicht des gleichrangigen Bundesmitglieds; Hellas sollte Ruhe bewahren, damit Makedonien Nachschub an Kämpfern schicken konnte. So einfach?
Aber selbst wenn der hellenische Rachezug ernstgemeint wäre – wo sollte er enden? War es nicht genug der Rache oder Sühnung, daß man das persische Großreich gestutzt und auf die eigentliche Heimat Iran zurückgeworfen hatte? Die hellenischen und halbhellenischen Lande Asiens, das Hinterland, die Küsten, Phönikien, Syrien, Ägypten, nun auch Mesopotamien – wieviel Rache noch? Andere sagten, da Athen das Herz von Hellas sei, müsse – wie Xerxes Athen geschändet hatte – nun das Herz Persiens geschändet werden: Susa, oder Persepolis, oder Pasargadai; wo immer das Herz liege, und am besten alle drei Städte. Dann wäre das Ziel erreicht.
Die Makedonen dagegen sahen die Dinge anders. Hellas sollte stillhalten, unbeeinflußt nach innen, einflußlos nach außen; Makedonien war die Vormacht; der Feldzug diente der Sicherung des Erreichten, der Ausweitung der Macht, der Stärkung und Mehrung des Schatzes, Umleitung der Handelswege, Erschließung und Anbindung neuer Märkte, Beschaffung von Gefangenen und Sklaven zur Ausbeutung der Bergwerke in Europa, all dies und mehr. Dazu war es – nach dem Sieg, oder den Siegen – vor allem nötig, die Städte Asiens an Makedonien zu binden, oder zu ketten, makedonische Verwaltungen und Besatzungen einzurichten, befestigte oder jedenfalls gesicherte Grenzen gegenüber Persien zu erreichen. Phönikien war wichtig; solange diese Gebiete persisch waren, standen dem Großkönig die großen Schiffe und guten Seeleute der Phöniker zur Verfügung. Aber schon Ägypten ... Ein uraltes Land, mit unheimlichen Tempeln und Bauwerken, deren Sinn keiner verstand; ob der Reichtum des Landes wirklich so groß war, daß er mehr einbringen konnte, als Eroberung und Besetzung kosteten? Und nun auch noch Mesopotamien. Und überall übernahm der König persische Verwaltungen, zwar mit Truppen und Offizieren aus Makedonien oder Hellas, aber mit Einheimischen oder Persern oder Ägyptern als Satrapen. Oder sogar Hellenen; na gut, einige waren ganz brauchbar, ein paar Offiziere, oder der fette Kardier Eumenes mit seiner Buchführung, ein paar Wissenschaftler und Baumeister, der listige Kreter Nearchos, der alte Korinther Demaratos, aber insgesamt? Und wo sollte es enden? Wo sollte die neue Grenze zwischen Großmakedonien und Persien sein?
Hinzu kam, viel stärker, als Ptolemaios dies erwartet hätte, das Problem der Göttlichkeit. Die Kämpfer hatten von Anfang an gewußt, daß ein Halbgott sie führte; ein Heros, der sie zu unerhörten Taten hinriß, zu unmöglichen Siegen führte, Gold auf Gold und Triumph auf Triumph türmte, den weder Berge noch Wüsten noch Meere aufhalten konnten. Die Ahnenreihe der Mutter begann mit Achilles, die des Vaters mit dem zeusgezeugten Herakles. Als Sohn Philipps war er zum König gewählt worden; als Sohn Philipps stammte er vom fernen Zeus ab, und Zeus mochte auch Ammon sein und Marduk und tausend Götzen jenseits der Meere. Wenn er nun aber kein Halbgott war, sondern ein Gott – wenn er unmittelbar Sohn Ammons war –, dann war er nicht mehr Sohn Philipps, nicht mehr durch Geburt und Wahl König der Makedonen, sondern nur noch durch Wahl unter falschen
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