Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
gebrauchen sollten?
Er sah Philotas, Perdikkas, Polyperchon, Leonnatos, Ptolemaios, ein paar andere, auf der anderen Seite; ihre Gesichter waren finster. Die Mienen der vor und neben ihm Stehenden konnte er nicht sehen.
Parmenion trat vor. Der Anführer der Freigelassenen, ein alter Mann mit einem Arm, einem Bein, einer Krücke und einem Auge bellte etwas. Der ganze Zug hinter ihm hielt an; alle versuchten irgendwie, Haltung anzunehmen. Die auf den rollenden Plattformen schwenkten tatsächlich, drehten sich, bis die Reihe wie eine Kampflinie stand. Kallisthenes unterdrückte ein Gelächter.
Der Anführer, die Krücke in die Achselhöhle geklemmt, legte die verbliebene Hand auf die Brust.
»Heil, Parmenion«, sagte er. Hinter ihm sprachen es all jene nach, die noch Zungen hatten: »HEIL, PARMENION.«
Es war ein lauter Chor, gestört durch allerlei Gegurgel und Gezischel. Immerhin, sie gaben sich Mühe.
Parmenion legte die rechte Hand auf die Brust und ging langsam die Reihe entlang. Sein Gesicht war zerknittert, gefurcht, vergrämt; Kallisthenes sah den Versuch des Strategen, Grimm und Trauer zu beherrschen, und verstand den Makedonen noch weniger als je.
Hin und wieder blieb der Stratege stehen, musterte ein Gesicht, bückte sich zu einem Beinlosen, murmelte Namen, wie eine Frage – Aristomenes? Menelaos? Myres? Myron? Aristeides? Xenokrates? Philinos? Er berührte ein paar Männer an den Schultern, ging dann schließlich zurück zum Anführer.
»Xanthippos, mein alter Freund.« Parmenions Stimme war ein Würgen, aber sein Gesicht war nun wieder ganz beherrscht. »Was haben sie mit euch gemacht!«
Xanthippos’ Hand rutschte von der Brust, zupfte an einer Franse des schmierigen Schurzes, stieg wie ein irrender Vogel zum zottigen Bart; er schwankte. Parmenion stützte ihn. Kallisthenes verzog das Gesicht; er hatte nie begriffen, wozu edle Führer die Namen ihrer Untergebenen kennen sollten, und daß man derlei ... Zeug anfaßte, ließ ihn schaudern.
»Sie haben Werkzeuge aus uns geschnitzt, Parmenion mein Vater.« Der Mann sah älter aus als der Stratege; seine Stimme war hohl und unendlich müde.
Parmenion blickte die lange, zuckende Reihe entlang. »Ohne Haltung, Freunde.« Sie sackten zusammen, aber sie brachen nicht.
Vielleicht war es dies, aber der Hellene, der nie das Schwert als Gleicher unter Gleichen geführt hatte, begriff es nicht. Auch die Gesichter jener Kämpfer, die eben noch die Gangart oder das Gezischel der Verstümmelten nachgeahmt und verspottet hatten, waren nun ernst, gefroren, finster. Etwas Unheimliches, ein tödliches Schweigen lag über der Menge.
Xanthippos sprach wieder; die Stimme war eine schartige Feile in Kallisthenes’ Kopf.
»All die Jahre hat uns nur eines am Leben gehalten, Parmenion.«
Der Stratege nickte. »Ich weiß, Freund. Die Hoffnung, unter der Sonne zu sterben, frei, in Würde.«
»Ja.« Xanthippos’ Wort wurde übertönt von einem vielstimmigen, knirschenden, röchelnden, gräßlichen Geräusch, mit dem die anderen es bestätigten.
»Ja«, sagte er noch einmal. »Unter der Sonne, nicht in einem Gewölbe. Frei, nicht als Sklave bei den Barbaren. In Würde, nicht wie Vieh. Gib uns, was wir begehren, Parmenion unser Vater.«
Die anderen Verstümmelten, sofern sie überhaupt Laute ausstoßen konnten, stießen ein durchdringendes, schrilles, klagendes Jaulen aus. Kallisthenes’ Haare sträubten sich.
Einer schrie: »Hilf uns sterben, Parmenion!«
»Gib uns aus deiner Gnade einen Tod, der schnell ist und rein, Parmenion.«
Das Sausen eines jähen Sturms, betäubendes Klirren. Fassungslos starrte Kallisthenes die Straße hinab, wo Tausende Makedonen wie ein einziger Kämpfer die Schwerter gezogen hatten, sie hochreckten und langsam, rhythmisch, dann schneller die Klingen gegen die Schilde schlugen: Zustimmung, und zugleich höchste Ehre. So hatten sie Alexander und Parmenion gegrüßt, als sie nach den Schlachten am Granikos, bei Issos und bei Gaugamela in vollem Waffenschmuck angetreten waren.
Eine Reitergruppe kam näher – Hetairen, die unter Alexander und Hephaistion die Stadt umrundet und die Umgebung erkundet hatten. Alexander ritt an der Spitze. Er sprang von Bukephalos, starrte die Reihe der Verstümmelten hinab, hob den rechten Arm. Schlagartig verstummten die Schwerter und Schilde; die Stille schmerzte.
»Seht euren König!« sagte Parmenion.
Wieder nahmen die Freigelassenen Haltung an. Xanthippos legte die Hand auf die Brust.
»Heil,
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