Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
vor allem karchedonischer Händler unüberhörbar Musik zu machen. Bis zu diesem hoffentlich fernen Zeitpunkt wollte er jedoch alles, was mit seinen alten Nebengeschäften zu tun hatte, möglichst nicht zu genau wissen.
Dann kaufte der Wirt eine neue Schanksklavin, eine junge Ibererin namens Tyuga. Sie kam aus dem Hinterland von Gadir, hatte dunkles, hüftlanges Haar, warme Augen und die schönsten Ohrläppchen, die Dymas je gesehen hatte. Der Name, sagte sie, bedeute in der Sprache ihres Volks Bussardin. An diesem Abend wechselte Dymas ein paar Worte mit dem Wirt, um zu erkunden, welche Arten der Nutzung von Besitztümern dem Karchedonier am Herzen lagen. Während er Musik machte – gute Musik, wie er unbescheiden selbst befand –, beobachtete er die Frau, die Speisen und Getränke zu den Tischen brachte, abgebrannte Fackeln durch neue ersetzte, Öl in den Lampen nachfüllte; sie schien Vergnügen an der Musik zu empfinden. Er blieb länger als gewöhnlich im Schankraum, auch als kaum noch Gäste dort waren, und unterhielt sich mit der Ibererin, deren Westphönikisch nahezu so makellos war wie ihre Zähne, ihre Haut und ihr Atem.
Am nächsten Abend sang Dymas ein neues Lied, das von den Gästen mit Beifall aufgenommen wurde und bei Tyuga, der gadirischen Bussardin, ein langes Lächeln auslöste. Die Musik war angelehnt an die eines lydischen Tanzlieds; die Melodie begann munter, wurde immer schwermütiger, kippte schließlich in dröhnende, tiefe Töne von einer gewissen gestelzten Albernheit ab, um sich am Ende aufzuschwingen wie ein Vogel. Dymas spielte die Melodie zunächst einstimmig, dann zweistimmig, unterlegte sie mit angenehmen, dann mit verblüffenden Harmonien.
Nie mehr werden Maiden mit lieblichen Stimmen,
heimlicher Haut und zündelnden Zungen mich locken.
Eisvogel möchte ich sein, in Windwällen wühlen;
Bussard werden, im Luftrausch die Wolken verhöhnen,
Bussardweibchen im feurigen Fluge begatten.
Auf der heißen Luft halberloschener Feuer und Lichter in Schankraum und Küche stieg die Bussardin in dieser Nacht in die Höhe, zu seinem Zimmer im vierten Geschoß; vor dem wahrlich feurigen Flug setzte sie sich ein biegsames Scheibchen aus Harz und Fischhaut ein, um, wie sie sagte, den Folgen des Begattens zu wehren. Am nächsten Tag beschaffte sie Kräuter und Pflanzensamen, die sie in Wasser, wenig Wein und ein paar Tropfen Sesamöl kochte. Der Sud, immer wieder erhitzt, verlor nach ein paar Tagen alle tödliche Tugend und mußte neu angesetzt werden, damit Tyuga Schwämmchen hineintauchen und in ihre Scheide schieben konnte. Aristoteles wäre zweifellos an der genauen Zusammensetzung gelegen, dachte Dymas; aber derlei Gebräu kannte man auch in Hellas, und als er sich von Tyuga die Namen der Kräuter nennen ließ, vergaß er die Hälfte, bevor er in die Nähe von Schreibwerkzeug kam. Jedenfalls roch und schmeckte es süßlich und regte zu jenem Tun an, dessen Folgen es verhinderte.
Es war eine leichtherzige Verbindung, jederzeit ohne Schaden zu beenden. Die Ibererin – eher Lerche denn Raubvogel – genoß und gab Genuß, aber entweder besaß sie keine Tiefen, oder sie hielt sie verborgen. Dymas hatte seine Tiefen, die ihm labyrinthische Abgründe waren, gegen die darin schlummernden Ungeheuer mit Dornenverhauen bewehrt und gegen sich und andere mit einem Gewölbe glatter Unverbindlichkeit übermauert.
Auch der Wirt war mit allem einverstanden, nach kleinerem Gezappel. Kinder einer ihm gehörenden Sklavin hätten seinen Wohlstand und Besitz gemehrt; der Vater dieser möglichen Kinder hätte, da freier Mann, ihm diesen Zuwachs gerichtlich bestreiten können; besser, das Wachstum fand nicht statt. Besser eine muntere Sklavin, die er für drei Minen – 180 shiqlu – gekauft hatte und die wohlgelaunt und wohlgenährt seine Gäste bediente und so seinen Wohlstand förderte; besser als Streitereien und üble Stimmungen ein zufriedener Musiker, dessen Töne die Gäste anregten, länger zu bleiben und mehr zu trinken.
Als der Frühling mit zunehmender Hitze kam – in Hellas der Beginn des neuen Jahres, in Karchedon, das den alten babylonisch-phönikischen Kalender verwendete, Jahresmitte -, fühlte Dymas sich als Teil der Einrichtung des Weinhändler-Hauses, wie die Tische und Kochfeuer. Mehr als drei Monde spielte er nun schon hier; fast drei Monde teilte die Ibererin seine Nächte. Mit den veränderten Gerüchen der Welt, mit der Zunahme der fremden Hochseefrachter nach dem Ende der
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