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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Winterstürme, mit fremden Gesichtern am Hafen – den er nun häufiger aufsuchte – und vor allem mit der Feststellung, daß er seit Monden das Salz des Meeres zwar gerochen, aber nicht bemerkt hatte, kam die Unrast. Zeit, etwas Neues zu beginnen, zu wandern, zu reisen, Tage und Abende anders zu gestalten; wenn es irgendwie möglich wäre, die Nächte beizubehalten ...
    Seine Musik litt keineswegs unter der Unrast; im Gegenteil, sie wurde genauer, schärfer, wilder, bisweilen auch wehmütiger. An einem dieser ersten Frühlingsabende, als die meisten Gäste bereits gegangen waren, bat der Waffenhändler Baalyaton den Musiker an seinen Tisch, wo er mit einem fetten Karchedonier, der mehrere Wollwebereien besaß, und einigen Bergwerksfachleuten die Möglichkeiten erörtert hatte, alte Eisenfundstätten in einer libyschen Oase neu zu erschließen, die Kosten zu teilen und die Gewinne zu verdoppeln. Dymas nahm die Einladung an, trank den feinen Wein, tauschte mit den anderen Geschichten über die Wildnis der menschlichen Seele, die Steppen des Geistes und die Oasen des Umsatzes aus. Nach und nach gingen die übrigen; schließlich war er mit Baalyaton allein.
    Der Karchedonier, kaum angetrunken, musterte ihn eine Weile schweigend.
    »Musiker«, sagte er dann, halblaut, »Mann mit vielen Gaben und mehreren Vergangenheiten: Hamilkar ist wieder in der Stadt und will dich sprechen.«
    Dymas nickte nur; irgendwann hatte es geschehen müssen, und warum sollte er sich darüber wundern, daß der Waffenhändler mehr – und anderes – war, als er schien?
    »Wann? Wo?«
    »Morgen. Er hat Besprechungen im Ratsgebäude und sähe dich gern gegen Mittag auf der Agora, vor dem Haupteingang zum Rat.«
    Sie erkannten einander sofort, trotz der vielen Jahre, die seit der letzten Begegnung vergangen waren. Hamilkar trug den üblichen wadenlangen Wollrock und eine goldbestickte Mütze; der Purpursaum und die Feinheit der Fäden zeigten, daß er zu den Wohlhabenden gehörte, und der breite Ledergürtel, der das weite Gewand um die Leibesmitte einschnürte, ließ keinerlei Verfettung erkennen. Die dicken Korksohlen der Sandalen machten den Karchedonier noch größer und schlanker. Mit seinen flachen Sandalen, dem einfachen Chiton und ohne die in Karchedon bei Männern üblichen Ohrringe kam Dymas sich fremd und ärmlich vor.
    Hamilkar nickte und umklammerte kurz Dymas’ rechtes Handgelenk; das war alles an Begrüßung.
    »Danke, daß du gekommen bist. Wir haben zu reden – wo?«
    Er sah sich um, zögerte, streifte Dymas mit einem abschätzenden Blick, dann hob er die Schultern.
    »Ach, warum nicht? Komm mit.«
    Er machte kehrt und ging die Stufen zum Ratsgebäude wieder hinauf, die er eben erst herabgestiegen war. Dymas folgte, mit gemischten Gefühlen. Fremde, sofern sie nicht Gesandte waren, hatten nichts im Ratsgebäude zu suchen; eigentlich war nicht einmal Metöken und anderen Einheimischen, die nicht Karchedonier waren, das Betreten gestattet. Hamilkar mußte wahrlich bedeutend sein, wenn er sich über derlei Vorschriften hinwegsetzen konnte.
    Im ersten Stockwerk des uralten, innen fast kahlen Gebäudes führte der Karchedonier ihn in ein helles, zweckmäßig eingerichtetes Arbeitszimmer – Gestelle mit Rollen, zwei Tischen, zwei Liegen, mehrere Scherenstühle, das übliche Zubehör an Schreibwerkzeugen. Als sie sich gesetzt hatten, legte Hamilkar die gefalteten Hände auf die Schreibtischplatte.
    »Ich nehme an, du hast ein wenig mittäglichen Hunger. Wenn wir hier fertig sind, sollst du mein Gast sein. Zuerst aber die wichtigeren Dinge, bei denen ich nicht belauscht werden möchte.«
    Dymas nickte und wartete.
    »Was weißt du von den Vorgängen im Osten?«
    »Nicht viel – ein paar Gerüchte. Ich bin Musiker, wie du weißt, kein, ah, bezahlter Aufklärer, der sich um Politik zu kümmern hat.«
    Hamilkar lachte. »Läßt sich ändern, Hellene. Allerdings ändern sich manche Dinge nie. Wer einmal das Große Spiel gespielt hat, kann nur selten die Finger ganz davon lassen.«
    »Das bleibt abzuwarten.«
    »Na gut; mal sehen. Ich war ein paar Monde unterwegs. Im letzten Sommer hatte ich eine längere Unterhaltung mit dem alten Demaratos.«
    »Wo?«
    »In Pelusion.« Hamilkar lehnte sich zurück und sprach knappe Sätze, die nur das Wesentliche enthielten.
    So erfuhr Dymas, daß Antipatros den Krieg auf der Peloponnes siegreich beendet und »ganz Hellas und Umgebung« in seiner eisernen Hand hatte – von Thrakien bis Tainaron.

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