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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ernst und eindringlich sagte sie:
    »Für jeden, der verbannt wurde, hat einer, der zurückblieb, den Boden bestellt oder eine Werkstatt betrieben. Als auf Beschluß des Rats von Athen, und zur Bestrafung, viele Bewohner der Insel Samos ihr Land oder ihre Stadt verlassen mußten, zogen Athener dorthin, siedelten, gründeten Familien. Wenn nun alle verbannten Samier heimkehren, mit Anspruch auf Wiedereinsetzung in alte Rechte, was geschieht dann mit denen, die inzwischen diese Rechte besessen und wahrgenommen haben? So nicht nur in Samos und Athen, sondern überall in Hellas. Weißt du, wie viele Verbannte es waren, die da plötzlich heimkehren sollten?«
    Er hob die Schultern. »Ein paar tausend?«
    »Mehr als hunderttausend Männer, Peukestas! Hunderttausend Männer, die in der Fremde gelebt und sich eine neue Heimat geschaffen hatten; Männer, die nur zum Teil mit ihren Frauen verbannt worden waren – viele junge Männer, die noch gar keine Frauen und Kinder hatten, als man sie verbannte. Sie haben in der Ferne Familien gegründet. Und plötzlich sollen sie alles, was sie aufgebaut hatten, wieder aufgeben und heimkehren an Plätze, wo inzwischen andere Menschen neue Dinge errichtet haben. Hunderttausend Männer, Makedone, viele davon mit Frauen und Kindern. Heimkehr nach Athen, nach Samos, nach Chios, Lesbos, Kos, Rhodos, nach Sparta und Korinth und Megara und Megalopolis und an zahllose andere Orte; auch nach Chalkis. Dieses helle Haus auf dem Hügel haben wir nicht gebaut; es hat einem Verbannten gehört – einem, der mit euch, Peukestas, mit den Makedonen war, vor vielen Jahren, als Philipp noch lebte, und den dann die Parteigänger Athens aus dem Land gejagt haben.«
    »Aber ...« Peukestas starrte ins Feuer; plötzlich fröstelte er im überhitzten, stickigen Raum. »Wirklich, so viele? Aber der König muß es doch gewußt haben!«
    Pythias lachte – ein bitteres, harsches Geräusch. »Natürlich hat er es gewußt. Es war sein Traum, sein entsetzlicher Traum, in seinem unermeßlichen Reich Millionen Menschen umherzuwirbeln, umzusiedeln, zu Wanderungen zu zwingen, bis am Ende das Reich die einzige Heimat wäre. Es sollte keine Athener mehr geben, keine Lakedaimonier, keine Babylonier und keine Makedonen; nur noch umgesiedelte, entwurzelte Bewohner der von Alexander neugestalteten Oikumene.«
    »Ein Traum.« Seine Stimme war belegt; seine Augen brannten. Mit bebenden Händen goß er verdünnten Wein aus dem Krug in die Becher. Als er einen, ohne hinzusehen, der hinter ihm, über ihm sitzenden Pythias reichte, tropfte etwas auf seine Schulter.
    »Ein Traum«, wiederholte er, immer noch heiser, »von der Bruderschaft aller Menschen unter einem König. Ist es ein schlimmer Traum? Ist es nicht ein gewaltiger Traum, den nur er, der Gewaltige, überhaupt träumen konnte?«
    »Perser als Vollbürger in Athen, Makedonen als Vollbürger in Syrakus, Kappadokier als Pferdezüchter in Thessalien, Phöniker als Bauern in Epeiros, Babylonier und Ägypter als Schafhirten in Arkadien oder als Flußfischer in Akarnanien? Hellenen, die unter sengender Sonne Schilf schneiden am Nil und dabei den Göttlichen Herrscher preisen? Ist das dein Traum, Peukestas?«
    »Etruskische Schneider in Arabien ... Warum nicht? Wenn es denn nur ein Reich unter einem Herrscher geben soll, muß es am Ende auch ein einziges Volk sein. Solange aber Athener in Athen wohnen und die Stadt für den Nabel des Kosmos halten; solange Spartaner und Thebaner und Babylonier und die Bewohner von Sidon und Ekbatana und Pattala und, ah, von mir aus Rom ihre jeweilige Heimat für bedeutend und heilig und anders und einzig halten, solange kann es den Frieden der Oikumene, die Gleichheit aller unter dem Gesetz des Einen nicht geben.«
    »Auch nicht nach Durchführung deines Traums«, sagte sie nüchtern. »Bedenke, Peukestas: Alle werden umgesiedelt, unter schrecklichem Zwang, unter Tränen und Verlusten; du mußt Widerstand brechen mit Gewalt, Blut wird fließen, Ströme von Blut. Nimm an, irgendwo entsteht eine Stadt – sagen wir, das neue große Alexandreia. Diese Stadt wird besiedelt mit Menschen aus allen Ländern und Städten und Völkern. Was dann? In wenigen Jahren, selbst wenn es vorher anders gewollt und angeordnet war, werden die Bewohner des ersten, gemischten Stadtviertels mit den Menschen anderer Viertel die Häuser und Wohnungen getauscht haben; du wirst in Alexandreia einen Straßenzug haben, wo nur Athener wohnen; ein ägyptisches Viertel, einen

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