Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Atem an, stieß dann die Luft in einem tiefen Seufzer aus. »Hast du Hunger, Durst?« Sie lächelte matt. »Dumm, ich weiß; aber ich muß irgend etwas tun, sonst ...« Sie hob die Schultern.
Peukestas deutete auf den Tisch; dort standen immer noch Früchte und Brot, und der Krug. »Das genügt, Pythias, danke. Aber vielleicht kannst du mir sagen ... Was ist mit den übrigen Rollen? Alexander ...«
Pythias runzelte die Stirn. »Viel kann ich dir nicht sagen. Aber du brauchst doch nicht viel mehr zu wissen, oder? Seit wann warst du dabei?«
»Lange schon, als Königsknabe. Und in Susa, als die ersten jungen Perser ins Heer aufgenommen wurden, wurde ich einer der Hetarenreiter.« Stolz klang aus seiner Stimme, aber auch so etwas wie jäher Zweifel.
»Warst du in Persepolis?«
»Ich habe den Brand gesehen.«
»Und dann?«
»Fast alles, bis auf die Jagd nach Dareios.«
Pythias nickte, als hätte er etwas bestätigt, dessen sie ohnehin sicher gewesen war.
Peukestas suchte etwas in ihrem Gesicht, dann im fast leeren Rollengestell. Er streifte die Feuerstelle mit einem beinahe traurigen Blick. »So viele wissenswerte Dinge ...«
Pythias setzte sich auf die Kante von Aristoteles’ Lager. Sein Atem kam und ging, kam und ging, rasselnd, röchelnd. Das Gesicht mit den eingefallenen Wangen und der Lederhaut, die sich über den Knochen spannte, glich immer mehr einer Totenmaske.
Sie tastete nach der Hand des Sterbenden. »So kalt...« Sie seufzte; dann sagte sie leise: »Ich kann nichts tun als neben ihm sitzen und warten. Wir könnten ebensogut reden. Worte, Worte, Worte; Klang, der nichts mehr bedeutet, das wichtig wäre. Aber es vertreibt die Schatten ein wenig.«
Peukestas schob den leichten Tisch zurück und hockte sich zu ihren Füßen auf den Boden, den Rücken an die Liege gelehnt. Ihre Augen. Fast so scharf und forschend wie die ihres Vaters, aber neben Trauer und Müdigkeit war da noch etwas, etwas Sengendes, in das er nun nicht blicken mochte. Später vielleicht; wenn alle Fragen beantwortet oder alle Antworten verstummt waren.
»Was geschieht mit dir, wenn er nicht mehr ist?«
»Er hat vor langer Zeit seinen letzten Willen niedergelegt. Alle Sklaven sind darin erwähnt, die ihm je gut gedient haben und noch leben. Seine Schule, ein paar Freunde. Und einige Wünsche.« Sie schien zu lächeln; ihre Stimme klang weicher. »Der übrige Besitz soll an seinen Pflegesohn Nikanor fallen; und er wünscht, daß Nikanor und ich die Ehe eingehen. Dann gibt es noch einen Brief an Nikanor; für den Fall, daß wir uns nicht vermählen, soll er den Besitz teilen und mir eine Hälfte des Erlöses geben.«
»Nikanor ... Der Nikanor, der die Botschaft nach Athen zu überbringen hatte?«
Sie lachte leise. »Eine furchtbare Botschaft, nicht nur für Athen.«
Peukestas dachte zurück an die Versammlung, an Alexanders Worte, die ihm als großherziger, weiser und kluger Beschluß erschienen waren. Er erinnerte sich auch daran, daß Nikanor ein wenig blaß geworden war, ehe er tapfer genickt und den Auftrag bestätigt hatte.
»Was war daran denn so furchtbar? Die Heimkehr der Verbannten ... Eine neue Zeit, eine größere und freiere Oikumene, Aufhebung alter Strafen – ist das furchtbar?«
»Das kommt darauf an, ob du es so siehst, oder ob du die Einzelheiten betrachtest, Makedone. Die großen Städte in Hellas sind zu voll; zu viele Söhne – und Töchter –, die zu wenig Raum haben und die ererbten Güter zerstückeln müssen. Auswanderung ist immer wichtig gewesen, die Besiedlung ferner Gegenden. Und Verbannung von Missetätern; selbst wenn die Taten nicht so schlimm waren. Jeder, der wegging, ließ den anderen Platz zum Atmen und Arbeiten und Leben.«
Peukestas nickte, langsam und nachdenklich. »Es gehörte aber zu den Ratschlüssen des Königs. Perser, Meder, Inder, Babylonier, Phöniker, Hellenen aller Gegenden, Makedonen, alle Menschen sollten gleich sein unter seinem Gesetz; dazu gehörte die Aufhebung alter Strafen.«
Pythias schwieg einen Moment; mit veränderter, härterer Stimme sagte sie: »Ich kann und mag nicht glauben, daß ein Hetaire des Königs, der viele Jahre die Welt und die Kämpfe und die Menschen gesehen hat, derart einfältig ist.«
»Einfältig? Weil ich glaube, daß es ein guter und großer Plan war?«
»Weil du weder die Gründe noch die Folgen siehst.«
»Dann hilf mir, all das zu sehen, was du zu sehen meinst.«
Sie überhörte seinen spöttischen, ein wenig herablassenden Tonfall;
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