Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
beschreibt seine Rede, die aus lauter Wahrheit besteht und nicht beleidigend ist, als wäre sie beleidigend, und verschweigt die Beleidigungen, die Alexander vielleicht gesagt hat. Er übertreibt Rausch und Erregung des Königs, damit er den Mord als Tat verminderter Besinnung ansehen kann. Reicht das?«
Peukestas knurrte, schwieg, starrte vor sich hin. »Und Drakon?« sagte er schließlich.
»Ist in Memphis. Vielleicht wartet er auf dich. Nun lies!«
13. DER TEMPEL DER TOTEN GÖTTER
Ein karchedonischer Dreidecker brachte Dymas zur Südspitze der Peloponnes, ans Vorgebirge Tainaron, wo nach der Niederschlagung der spartanischen Erhebung wieder Tausende Söldner in Zelten und Hütten hausten und auf Angebote warteten. Dymas bereiste gemächlich die Gegenden, die ihm bei seinem letzten Aufenthalt wegen der Kriegsgefahr und Wirren wenig verlockend erschienen waren. In Sparta traf er einen einsamen Auleten, mit dem er einige Male gut zusammenspielte; der Mann stammte aus dem fernen Massalia und begleitete ihn nach Korinth. Dort, im Spätsommer, erledigte Dymas behutsam die Aufträge Hamilkars; Kleon und andere wichtige Männer der reichen Stadt deuteten an, daß Korinth die Umsturzpläne der »schäumenden Demokraten« in Syrakus mit Mißfallen betrachtete und keinesfalls beabsichtigte, ein Kriegsabenteuer gegen Karchedon auch nur zu erwägen. Man habe Verständnis für Karchedons Wünsche, den augenblicklichen Zustand zu bewahren, und man werde die Entwicklungen beobachten. Solange Maßnahmen der Libyphöniker ersichtlich nur dieser Bewahrung, nicht aber der Ausdehnung ihrer Macht dienten, wolle Korinth nichts unternehmen. Im übrigen sei es durchaus möglich, daß Korinth selbst zugunsten der alten Freunde und Verwandten gewisse Maßnahmen gegen die »Schäumenden« ergreifen werde.
Noch im Herbst, ehe Dymas Korinth verließ, tauchten dort die ersten neuen Münzen auf, vor allem silberne Didrachmen mit dem Bild Alexanders. Mit Erstaunen vermerkte Dymas, daß die klugen und reichen Händler die von Hamilkar umrissene Gefahr der allgemeinen Geldentwertung nicht einmal ahnten. Mit dem Auleten und einer aus Korkyra stammenden Tympanistin reiste Dymas nach Westen. Einige Wochen spielten sie sich von Ort zu Ort an der Küste, ehe sie kurz vor Beginn des Winters ein Schiff bestiegen und Korkyra aufsuchten. Die Stadt, mit über 100 000 Bewohnern drittgrößte der hellenischen Oikumene – nach Athen und Syrakus -, war ein angenehmes Winterlager mit gutem Essen, aufmerksamen Zuhörern und silberner Wertschätzung für Musik. Die zweimal verwitwete Tympanistin, kaum jünger als Dymas, bot ihm eine willkommene, dankbar angenornmene Liebschaft, deren Leidenschaftlichkeit nicht zu Bindungswut entartete.
Zu den wichtigen und unwichtigen Nachrichten, die im Winter Korkyra erreichten, gehörten erste Andeutungen des beginnenden Preisverfalls in den Städten der asiatischen Küste und in Athen; ferner die nur für Eingeweihte fesselnde Botschaft aus der Schule des Aristoteles, daß es dem Mathematiker und Astronomen Kallippos mit Hilfe des allseits bewanderten Philosophen gelungen sei, die himmlischen Sphären abzustecken und die Bahnen der Planeten zu berechnen. In Athen hatte der Fürst der Odrysen, Rhebulas, ein Bündnis gegen Makedonien erreichen wollen, war aber am beredten Widerstand von Demosthenes und an den Besorgnissen der übrigen gescheitert. Die zahlreichen Makedonenfeinde Korkyras – etwa neun Zehntel der Bevölkerung, wie überall in Hellas – spöttelten über die Nachrichten aus dem fernen Osten: Widerstand des Adels gegen Alexanders Barbarisierungspolitik, Hinrichtung des Philotas wegen einer Mordverschwörung, Ermordung seines Vaters Parmenion; gleichzeitig nahm man mit zähneknirschender Bewunderung zur Kenntnis, daß der junge König sich offenbar durch nichts aufhalten ließ, das persische Großreich weiter zügig eroberte und unterwarf, die Satrapien Areia, Drangiane und Arachosien botmäßig machte – Gegenden, von deren Lage man bestenfalls verschwommene Vorstellungen hatte. Genauer waren die Kenntnisse, was näherliegende Landschaften und Verhältnisse anging; so löste es durchaus Unbehagen aus, daß Alexanders Schwester Kleopatra fluchtartig unter den Mantel des Antipatros heimgekehrt war – die epeirotische Nachbarschaft Korkyras stand nun unter der herben Herrschaft von Olympias, über die man sich zahllose grimmige Geschichten erzählte, allesamt vermutlich erfunden, allesamt im Kern jedoch
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