Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
wahr.
Diese Änderung bewog Dymas dazu, die vorgesehene Landreise nach Dyrrhachion aufzuschieben und erst im Frühjahr mit einem Frachtsegler die Hafenstadt aufzusuchen, wo er gestorben und wiedergeboren war. Es gab dort kaum Änderungen; Aristippos ächzte wie viele über den Verfall des Geldes und die Teuerung des Lebens. Dennoch schien Dyrrhachion nicht so schwer getroffen wie etwa Athen; es mochte an der Entfernung liegen und daran, daß ein großer Teil des Handels hier mit dem illyrischen Hinterland als Tauschgeschäft abgewickelt wurde, ohne Geld. Aber seit im Vorjahr Antipatros, der die Hände wieder einigermaßen frei hatte, mit einigen Reitern und Hopliten bei den Taulantiern zu Besuch gewesen war, lag Dyrrhachion der übrigen Oikumene näher als je zuvor: Die Straßen waren frei von Räubern, es gab nur noch die von Pella festgesetzten Abgaben, keine Wegezölle für struppige Bergfürsten, und Aristippos erzählte mit leisem Kichern, die Hexe von Epeiros habe die Ausdehnung der makedonischen Ordnung sehr unwirsch aufgenommen, da sie einer Ausdehnung ihrer Unordnung nach Norden den Vorzug würde gegeben haben.
Dymas mied die epeirotische Grenze; seine Erinnerungen an Olympias und ihre wechselnden Mienen legten ihm die Entfernung nahe. Langsam, meist allein, manchmal mit Händlern oder kleineren makedonischen Streiftrupps, wanderte er in Schlangenlinien nach Osten und erreichte im Herbst makedonisches Kernland. Über Beroia, Aigai und Aloros kam er nach Pella.
Von Antipatros hörte er Einzelheiten über jene asiatischen Todesfälle und erfuhr Neues. Bessos, Satrap von Baktrien und Sogdiana, hatte im vergangenen Jahr den fliehenden Dareios ermordet und sich unter dem Namen Artaxerxes zum neuen Großkönig gemacht – ein Titel, den Alexander selbst anstrebte. Nach allerlei Kleinkrieg, Vorstößen und Rückmärschen war es einer Heeresabteilung unter Führung des Lagiden Ptolemaios gelungen, Bessos’ Truppen aufzureiben, ihn selbst zu fangen und Alexander zu übergeben, der ihn nach Ekbatana sandte, wo er auf des Königs Befehl zu Tode gefoltert wurde.
»Er ist jetzt König von Makedonien, Großkönig von Asien, immer noch hegemon des Bundes. Im Moment treibt er sich, soweit ich weiß, am Nordwestrand der Welt herum, in der skythischen Steppe. Er hat die Flüsse Oxos und Jaxartes überschritten, von denen wir eigentlich nur wissen, daß sie irgendwo fließen. Da soll es einen Ort geben, Sa-Marakanda oder so ähnlich, wo hin und wieder gelbhäutige Händler mit schmalen Augen Seide verkaufen.« Der Stratege hob die Schultern. »Früher oder später werden wir mehr wissen; seine Geographen sind sehr gründlich.«
Dymas zögerte mit der Frage, die er vor allem stellen wollte. Antipatros betrachtete ihn unter herabgezogenen Brauen.
»Na, spuck’s aus, Kitharode.«
»Wenn du willst ... Ich habe mich seit langem gefragt, was der Stratege von Europa, der edle Makedone Antipatros von den Unternehmungen des Königs halten mag. Wie sich die Treue des Antipatros ... nein, anders: Ob es zwischen dem Ausmaß der Treue des edlen Antipatros und den verschiedenen Todesfällen in Asien eine Wechselwirkung geben mag.«
Der Stratege schnaubte; er kratzte sich den kahlen Schädel und blickte zur Fensteröffnung. Er schien auch die Fensteröffnung anzureden, als er sprach.
»Man muß gewisse Dinge trennen. Mein Sohn Kassandros, der sich mit Alexander nie gut vertragen hat, taugt nicht viel, wie ich immer wieder feststelle, wenn ich ihm größere Aufgaben übertrage. Aber er ist mein Sohn. Ich möchte, daß er lange lebt und ruhig stirbt.« Er seufzte. »Wechselwirkung? Sicher nicht; Dinge in Asien wirken auf meine Treue ein, aber nicht umgekehrt – oder doch? Ich sorge für Ruhe und Frieden und schicke Verstärkungen; das ist eine Wirkung der Treue. Aber« – nun wandte er sich Dymas zu, als ob er das Fenster lange genug betrachtet hätte – »ich halte mehr Macht in Händen als je ein Hellene; oder Makedone – außer ihm natürlich. Solange er den Rand der Welt erforscht, ist dies mein Reich: von Dyrrhachion bis Byzantion, von Thrakien bis zur Südspitze der Peloponnes. Kein Athener, Spartaner oder Thebaner, nicht einmal mein Freund Philipp hat je soviel Macht besessen, Dymas. Und überall ist Friede, erzwungen durch mein Schwert. Ich lasse den Städten ihre Freiheit nach innen und schreibe ihnen nicht vor, mit wem sie Handel treiben sollen. Ich setze schlechte Richter ab; ich habe fast alle Wegelagerer getötet.
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