Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Trotz der Teuerung muß niemand wirklich hungern; Alexanders Getreide wird sorgfältig verteilt, und meine Leute sorgen dafür, so gut es geht, daß keiner sich durch Horten und späteren Verkauf bereichert.«
»Eine feine Rechtfertigungsrede für etwas, das keiner Rechtfertigung bedarf, Stratege. Aber keine Antwort.«
»Er ist wahnsinnig; was seine unvergleichlichen Fähigkeiten nicht mindert. Parmenion war mein bester und ältester Freund; was soll ich seinem Mörder gegenüber empfinden?«
Dymas nickte sanft. »Manchmal frage ich mich, ob ein Teil seiner Fähigkeiten des düsteren Wahnsinns bedarf, um bestens angewendet zu werden.«
Antipatros hob die Schultern. »Das ist Mystik. Mein Geschäft ist die Wirklichkeit. Das beste Heer der Oikumene unter Führung eines wahnsinnigen Mörders, der zufällig König und größter aller Strategen ist, erschließt dem Handel und der Auswanderung Länder, von denen keiner je gehört hatte. Die Welt wird verwandelt; selbst mir fällt es heute schon schwer, den Anfang, den Philipp mit mir und Parmenion und einer Handvoll Krieger machte, das zertrümmerte und hilflose Makedonien ... selbst mir erscheint es wie ein ferner, böser Traum, Dymas, und wer von denen, die heute fünfzehn oder zwanzig sind, soll es glauben?«
»Und deine Treue?«
Antipatros stand auf, schob den Stuhl mit den Knien zurück und stützte sich auf die Tischplatte. »Meine Treue? Den Frieden hüten, damit die Menschen in ihren Betten schlafen und zur festgesetzten Zeit sterben können. Meine Treue gilt Makedonien – und Hellas; das hängt zusammen. Der König verkörpert Makedonien; insofern gilt meine Treue ihm. Aber er ist weit. Er schickt Gold, ich schicke Männer; er erobert Neues, ich hüte das Alte.«
»Könntest du ...«
Antipatros hob die Hand. »Sprich nicht weiter; es gibt Dinge, die nicht einmal hier, unter uns, gesagt werden müssen. Wer wird sich gegen einen wahnsinnigen Gott auflehnen, der dabei ist, Herr der Welt zu werden? Die Möglichkeit, den Nabelstrang des Nachschubs abzuschneiden, die Parmenion vielleicht erwogen hat, ist vorbei. Er hat Asien; er braucht makedonische Kämpfer, weil sie die besten sind. Aber wenn er sie nicht bekäme, könnte er auch mit Asiaten weitermachen. Früher oder später wird er mit Asiaten weitermachen. Ich will nicht, daß er eines Tages, falls er je vom Rand der Welt heimkehrt, mit asiatischen Kriegern Hellas und Makedonien erobern zu müssen meint. Es wäre das Ende ... Deshalb, Dymas, meine Treue.«
»Und wenn er doch eines Tages aus dem Osten zurückkäme? Wenn er dann beschlösse, dich zu sich zu rufen, Pella einem anderen zu übertragen?«
Antipatros bleckte die Zähne. »Und mich Parmenion hinterherzuschicken, nicht wahr – das meinst du doch? Ich bin ein alter Mann, Dymas; voriges Jahr war ich siebzig. Alte Männer werden manchmal sehr krank; so krank, daß sie nicht reisen können.«
Lieder und Liebschaften; das war für Dymas der Winter in Pella. Im Frühjahr reiste er über Land nach Byzantion, von dort im Sommer mit einem musikliebenden Handelsschiffer nach Athen. Die Nachrichten aus dem Osten waren wirr; man hörte vom erfolgreichen Kleinkrieg eines Fürsten namens Spitamenes und den wachsenden Schwierigkeiten des Königs. Der Verfall der wirtschaftlichen Werte in der Oikumene nahm immer noch zu; Preise und Mieten hatten sich verdreifacht und stiegen weiter. Im Spätsommer und Herbst liefen in Athen die wildesten Gerüchte um: Verluste des Heeres im Osten, Schwierigkeiten Alexanders mit seinen Offizieren und Männern, die Ermordung des Strategen Kleitos durch des Königs eigene Hand, Aufstände und Erfolge der Barbaren, Unruhe in den näheren Satrapien, von Antigonos dem Einäugigen und den anderen Zuständigen nur mit Mühe unterdrückt. Hypereides, den Antipatros ebenso gewähren ließ wie alle anderen, redete von Freiheit und Erhebung gegen das Joch; ausgerechnet Demosthenes sprang seinem alten Widersacher Demades bei, als dieser Hypereides im Rat angriff. »Daß du dies sagen kannst, Hypereides, zeigt deine Freiheit; bist du gefesselt? Geknebelt? Nein, du läufst herum und redest Unsinn. Und du machst gute Geschäfte, trotz der Teuerung. Ist es denn nicht wahr, edler Hypereides, daß deine Werft im letzten Jahr elf Trieren für Antipatros gebaut hat, gegen gutes Gold?«
Demosthenes, der wie üblich mehr wußte, unterbrach an dieser Stelle Demades. »Nicht nur das, nicht nur das. Es gibt da zwei Waffenschmieden, nicht wahr,
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