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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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ihm, um seinen Schurz zu lösen, und ich verließ den Raum, schleppte die wimmernde Alte mit.
    Denn ich hatte, ehe sie kniete, das Amulett gesehen zwischen ihren Brüsten. Das ankh und das Auge des Horos. Achtzehn Jahre alt ist Raukhshana, wie mir die Alte sagte. Nicht leibliche Tochter des Oxyartes, der wie so viele Satrapen und Fürsten ein Eunuch ist. Sie wurde von ihm angenommen, als sie zwölf war, oder dreizehn. Ausgewählt, o Aristoteles, und Oxyartes als Tochter auferlegt hat in dem Jahr, da Alexander bei Issos siegte, nach langer Suche im ganzen Reich sie ein anderer: Bagoas der Heile. Er hat auch Oxyartes angewiesen, wo er unter welchen Umständen wann sich aufzuhalten habe; zuletzt vor wenigen Monden, sagte die Alte, ehe ich sie endgültig verstummen ließ.
    Bin ich von Sinnen? Ich habe mit dem blutigen Messer in meinen Arm geschnitten und den Schmerz gespürt, das Blut gesehen; ich habe die Mauern berührt und sah die Sterne tanzen. Und dennoch fühle ich mich eingekerkert in einem gräßlichen Traum – in jener unendlichen Papyrosschleife des Traumbilds von Babylon, eingesperrt zwischen Spiegeln, die einander gegenüberstehen und mich hin und her und hin und her schleudern, unendlich verkleinern, wiederholen und zuletzt auflösen.
    Denn ich weiß nicht, wozu Bagoas Raukhshana ausgewählt hat; noch immer ist mir der alte Plan ein Rätsel. Ich weiß aber, warum er sie unter allen Töchtern Asiens gesucht haben muß. In Samothrake wurde dem Gott ein Opfer dargebracht, das Bildnis der von Philipp getöteten Mutter, Eurydike; und Olympias sah aus, als wäre die lynkestische Hexe wiedergeboren in ihr. Auf dem Felsen des Ariamazes, o edler Philosoph, sah ich Olympias: jung, überwältigend, mit dunklerem Haar und dunklerer Haut, verjüngte asiatische Zwillingsschwester von Alexanders Mutter.
    Ich will nicht länger Teil eines Spiels sein, dessen Regeln und Ziele ich nicht kenne. Ich bin angewidert vom Dienst an einem König, der zehntausend Götter ist und dann zehntausend Ungeheuer, der Männer hinreißt und abschlachtet, Völker begeistert und auslöscht, den Göttern trotzt und ein Gott sein will.
    Ich habe den Helm und den Umhang und die Rüstung und die Waffen eines Gefallenen angelegt; niemand erkannte mich, als ich vor dem Morgengrauen den Berg hinabstieg und durchs Lager lief. Ich ließ alles zurück, was mein ist und auffällig fehlen könnte; nur Münzen und Waffen begleiteten mich. Und Vorräte, Wasser, irgendein Pferd. Es ist meine Trauer, daß auch Peukestas mich für tot halten wird, zerschmettert am Fuß des Berges; aber mein Sohn ist dem König verfallen, und wie sollte ich ihm von meinem weiteren Leben sprechen, da doch alle mich tot wähnen sollen?
    Ich bin jetzt ein reisender Heiler, im westlichen Teil Baktriens. Händler aus Byzantion nehmen das Schreiben mit, das Du hüten und verheimlichen solltest. Nur Antipatros darf wissen; nur Antipatros muß wissen. Ich umarme Dich.«

    Fassungslos, verblüfft, entsetzt und doch voller Freude ließ Peukestas den Papyros sinken.
    »Keine Fragen«, sagte Aristoteles. Seine Stimme war kaum zu vernehmen.
    »Aber ... mein Vater, das Amulett, all die ...«
    »Keine Fragen.« Langsam, müde, fast leblos kroch die linke Hand des sterbenden Philosophen unter den Fellen hervor und wies auf die beiden dicken Rollen, die noch auf dem Tisch lagen.
    »Lies. Du wirst wissen. Laß mich letzte Kraft sammeln für ... danach.«
    Peukestas streckte benommen die Hand aus, nahm die Rollen auf und betrachtete die Zeichen der ersten.
    »Ich kenne die Schrift ... aber da sind Teile gestrichen, Teile in anderer Schrift überklebt ...«
    »Dymas war geschwätzig. All seine Erlebnisse in Jahren. Ich ...« Aristoteles hustete; das Knirschen von Winterwind auf einem verharschten Hang. »Ich habe zusammengefaßt und gestrafft; nichts Wichtiges fehlt. Lies. Das zweite Schreiben ist ... von Nearchos. Lies; und laß mich Kräfte sammeln.«
    »Aber ...«
    Aristoteles regte sich nicht; er hielt die Augen geschlossen. Pythias, längst wieder im Raum, sagte halblaut:
    »Vielleicht kann ich es dir sagen, Makedone.«
    Peukestas deutete auf die fortgelegten Rollen. »Mein Vater ... Und wieso hat Ptolemaios kunstfertig gelogen, mit seinem Bericht über Kleitos?«
    Pythias hob die Schultern. »Die Einzelheiten und Andeutungen. Wenn er schreibt, Kleitos sei schon länger verärgert gewesen, legt er damit nahe, daß Kleitos diesem Ärger absichtlich in irgendeiner Form nachgehen wollte. Er

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