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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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von dort in die Burg eindrangen – sie sprangen, oder ließen sich an Seilen hinab. Natürlich öffneten sie zuerst die kleinen Tore an dieser Seite; die Verteidiger befanden sich nahezu alle auf der anderen Mauer, um den vergeblichen Versuchen des Perdikkas zuzusehen. Es dauerte nicht lange, bis es zum Kampf kam; immer mehr Makedonen klommen an den Pflöcken und Seilen bergauf und stürzten sich ins Gemenge. Ich blieb im Schatten, in der Nacht; keiner hat mich gesehen.
    Alexander war wie immer an der Spitze der Männer, die in die Burg eindrangen. Mit dem Schwert verwundete er Ariamazes, der sich ihm entgegenstellte; dann drang er in einen erleuchteten, mit Teppichen ausgelegten Gang ein. Ich folgte. Man hatte gesagt, erzählt, berichtet, des Oxyartes edle Tochter Raukhshana, Roxane, sei die schönste Frau Asiens, und natürlich wollten alle sie sehen – alle, auch der König.
    Mit dem Schwert tötete er zwei Wachen, die ihn aufhalten wollten; eine alte Frau, die vor der Tür des Gemachs kauerte, kroch wimmernd beiseite.
    Hinter der Tür gab es schwere Vorhänge, die mich verbargen; mich, und die alte Frau, die mein Messer an der Kehle spürte und nicht einmal zu wimmern wagte. Im Raum loderte ein Feuer; zahlreiche Fackeln und Lampen und glatte Silberflächen erhellten das Gemach. Es war kostbar eingerichtet, mit bunten Wandteppichen aus Seide, mit schweren weichen Knüpfarbeiten auf dem Boden, mit Gold und Silber und tausend duftenden Hölzern, mit einem breiten Bett und prächtigen Truhen.
    Mitten im Raum, den Rücken zum Feuer, stand die schönste Frau Asiens. Sie trug keinerlei Schmuck; das köstlichste Geschmeide hätte sie geschändet, Aristoteles. Nichts trug sie als ein feines weißes, fast durchsichtiges Gewand. Die Strahlung der Brüste, die durch das hauchdünne Tuch brannten, hätte Herakles die Besinnung geraubt und die Äpfel der Hesperiden schrumpfen lassen. Die Farbe geschmolzenen Goldes in der Münze, vor dem Erkalten; flüssiges Feuer in einem Gefäß der vollkommensten Anmut; hüftlanges offenes Haar, wie feingesponnen von den Fingern der Moira aus Stoff, der beim Entstehen der Welt unverbraucht blieb, da er den Göttern zu wertvoll erschien für die Mitternacht; Bewegungen wie die einer jungen Löwin, die schnurrt vor dem Sprung; lendenversengend gefräßiges Feuer der Augen; das schimmernde Gehege der Zähne, wogendes Schwellen der Lippen ... Und noch etwas war zwischen den Brüsten, aber dies sah ich erst später.
    Erinnerst Du Dich, Aristoteles, an die Beschreibungen, die Berichte, die ich Dir mündlich und schriftlich gab – die Tage von Samothrake, als Philipp sich mit den Göttern aussöhnen sollte und im Tempel Olympias traf? Den heißen Sturm, der beide erfaßte und für lange Zeit die Pläne der Priester verwirbelte?
    So ähnlich, ja ... nur stärker. Götter, ich habe Frauen gesehen in meinem langen Leben, aber nur eine wie Raukhshana. Sie hielt ein langes dünnes Messer in der Hand. Es glitzerte wie der Zahn einer Schlange.
    Und er? Wie durch reichen Schlaf, mangelnden Wein und harte Arbeit genesen, magisch verjüngt durch den Aufstieg, strahlender Heros, der auf den Schwingen der Nacht reitet, das blutige Schwert in der Hand, unbezwinglicher Eroberer der Welt – er ließ das Schwert fallen und ging zu ihr, mit langsam gleitenden Schritten. Er streifte den Helm und den Panzer ab, ehe er sie noch erreichte. Der Chiton fiel wie Laub im Herbstwind, Aristoteles, wie sinnloses Laub, das den aufstrebenden Stamm daran hindert, sich in die heiße Höhlung des letzten Sommerglühens zu recken. Als er sie erreichte, trug er nur noch den Schurz; und seine Narben.
    Sie lachte; ein kehliges, warmes Lachen. Dann stieß sie zu mit dem Dolch, verwundete ihn an der Schulter. Er packte ihre Hand, hielt sie, hielt sie jedoch sanft, als wolle er sie durch die Kraft der Augen überzeugen, nicht durch die Kraft der Hand bezwingen. Ich sah – ich sah, wie sich ihre Haltung und ihr Blick wandelten. Ich sah, wie er die Hand der Baktrerin losließ. Sein Blut an ihrem Dolch; sie führte ihn an die Lippen. Mit ihrer Zunge – nie gab es solch eine Zunge – leckte sie Alexanders Blut von ihrem Stahl. Sie beugte sich vor, trank das Blut aus der Wunde, die sie seiner Schulter zugefügt hatte, bot ihm dann die Lippen zum Kuß, zum gemeinsamen Bluttrunk.
    Raukhshana – noch einmal löste sie sich von ihm, ehe der Taumel begann. Sie trat einen Schritt zurück, zerriß ihr Gewand, ließ es fallen. Sie kniete vor

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