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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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Hypereides? Sie gehören einem Hippias, soviel ich weiß – dem Mann deiner Nichte. Hippias hatte aber nie das Geld, große Waffenschmieden zu betreiben. Kann es sein, o Hypereides, daß du es ihm geliehen hast, damit deine Nichte nicht hungern muß? Daß er eigentlich nicht Herr, sondern Geschäftsführer von Betrieben ist, die dir gehören, edler Mann – und die gute Schwerter, Pfeilspitzen und Lanzenköpfe liefern: nach Asien, Freunde, Nachschub für Alexanders Heer!«
    In einer Schänke des Kerameikos-Viertels, wo die Vorherrschaft einheimischer Dirnen und Schläger vom Zustrom mindestens ebenso kundiger Frauen und Männer aus den Städten Asiens bedroht wurde, traf Dymas den riesigen Luwier wieder, den er vor Jahren im Hafen von Pella gesehen hatte. Nhiyar erinnerte sich natürlich nicht an den einen neugierigen Zuschauer von damals; Dymas überlief es kalt, als er das kleine Mädchen sah, das schon damals mit dem Riesen gegaukelt und Musik gemacht hatte und ihm in einem wirren Traum als Zwerg erschienen war. Der Riese und die Zwergin ... Und sie war genau dies, eine alte, runzlige Frau, immer noch beweglich, immer noch musikalisch; sie starrte aus Augen wie Zeitbrunnen in die geisterhafte Gegenwart, sprach nicht viel, schlug die Trommel zur Sackpfeife des Riesen, lief mit einer Mütze oder Schale herum, um Münzen einzusammeln, während er seine entsetzlichen, unbeschreiblichen Klänge hervorbrachte. Es war eine Sackpfeife, wie Dymas sie noch nie gesehen hatte: nicht mit dem Mund aufgeblasen, sondern mit einem Blasebalg unter dem Arm aufgepumpt. Die drei Flöten für Dauertöne ließen sich verstellen; die Melodieflöte hatte nicht wie üblich vier, sondern sechs Löcher (und eines für den Daumen) und ließ sich ebenfalls durch Drehen und Ziehen auf andere Tonlagen stimmen.
    Zwei Monde lang, im Winter, spielten sie zusammen: die Zwergin mit der Trommel, der Luwier mit der Sackpfeife, Dymas mit der Kithara. Niemand konnte je das Zusammenspiel mit Tekhnef und dem Doppelaulos ersetzen, aber abgesehen von dieser Erinnerung entstand im athenischen Winter die beste und zweifellos schrägste Musik, an der Dymas je beteiligt gewesen war.
    Im Frühjahr trennten sie sich, widerstrebend. Die Zwergin hatte in den vergangenen Monden nicht mehr als vielleicht zwei Dutzend Wörter gesagt; Nhiyars Reden beschränkten sich auf Bemerkungen zum Wetter, zum Essen, zur Musik, hin und wieder unterbrochen oder verzerrt durch vollkommen unbegreifliche und finster-fremdartige Geschichten oder Geschichtsfetzen aus dem Osten, den er irgendwann durchwandert haben mußte. In seiner Erinnerung, oder jedenfalls in seinen Äußerungen, vermengten sich grausige Berichte über Könige verschollener Völker mit Entstellungen babylonischer Sagen und vollendet irrsinnigen Ortsbeschreibungen – unter Athens Akropolis ein Asphodelenhain, in dem der letzte Minotauros Seelen aß und eine schwarze Sonne anbetete; Memphis am Nil, errichtet auf der Grundfläche einer umgedrehten Pyramide, deren Spitze, tief in der Erde, die Götter der Vorzeit in den Kopf der Weltenschlange getrieben hatten, um diese zu lähmen; unter Babylon ein Irrgarten der Zeit mit Falltüren in verschiedene Vergangenheiten und Zukünfte, sowohl wirkliche als auch bloß mögliche; in einer Wüstenstadt ein Tempel der Toten Götter; im Inneren Ägyptens eine Schlucht der giftigen Träume und ein Berg aus süßem Kristall mit einer luftlosen Kammer, wo eine Chimaira im Leeren schaukelte und sich von Hintergedanken ernährte; ein indischer Palast aus grünem Edelstein, dessen Bewohner Giftschlangen und dessen Wände mit gegerbter Menschenhaut verkleidet waren.
    Aber die Musik war gut gewesen; und obwohl Dymas oft empfunden hatte, daß er es mit Wesen aus einem anderen oder zumindest geringfügig verschobenen Kosmos zu tun habe, schied er doch mit Bedauern. Als er an Bord eines Schiffs ging, das ihn nach Mytilene bringen sollte, schenkte die Zwergin ihm einen kleinen Stein von sengender Schwärze, glatt und auch nachts zu sehen, der sich in seinen Träumen unerträglich vervielfachte, so daß er ihn kurz vor Lesbos ins Meer warf; der Luwier gab ihm eine Münze aus seltsamem Metall, schwerer als Gold. Sie zeigte keinerlei Prägung; beide Seiten waren leer. »Gesicht von Wind«, sagte Nhiyar. »Winddrachme. Weht uns zusammen, wenn du hochwirfst.«

    Mytilene, Sardeis, Klazomenai, Ephesos, Milet; Zuhörer, die ihr Vergnügen durch Silbermünzen von stetig sinkendem Wert ausdrückten,

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