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Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)

Titel: Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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sich. Ich begreife nichts. Alles dreht sich, Drakon. Gibt es da unten wirklich die Bilder der Toten Götter?«
    Der Arzt nickte. »Und Alexander ist für Baal und seine Priester schon gestorben.«
    Die ersten Schläfer regten sich. Drakon sprach schnell und leise weiter, um die Geschichte zu beenden. Es hatte Tage und Nächte des Abtastens gebraucht, bis er und Bagoas mit dem allmählichen Austausch begannen.
    »Zwei alte Männer in Fetzen, zu Fuß, unterwegs von Dorf zu Dorf. Nicht einmal die restlichen Räuber, die die Makedonen noch nicht erledigt hatten, haben sich um uns gekümmert. Daß wir unter den Fetzen mit Goldmünzen gepanzert waren, wußte ja keiner. Jedenfalls – nach und nach haben wir uns aneinander gewöhnt. Er wußte, daß der Plan, der alte Plan, zum Teil gescheitert war. Aber nicht völlig. Und er wußte, daß sein Vater noch lebte; wo er lebte; warum er dort lebte. Deshalb wollte er nach Tadmor; wohin hätte er auch sonst gehen sollen?«
    Dymas packte die Schultern des Arztes, bohrte die Finger ins harte Fleisch Drakons. »Was ist der Plan?«
    Er hatte zu laut, zu erregt gesprochen; weitere Schläfer erwachten. Einer von ihnen schaute herüber, rieb sich die Augen, nickte und hob die Hand: Hamilkar.
    »Der Plan? Ah, ein schöner, schrecklicher, verwickelter Plan, Freund.« Drakon streifte die Hand des Musikers ab. »Warten wir damit, bis Hamilkar wach genug ist.«
    »Wo ist Bagoas?«
    »Bei seinem Vater, im Tempel. Du wirst ihn nicht sehen; wir brechen nach dem Frühstück auf.«
    »Wir? Wohin?«
    »Wolltest du nicht nach Babylon? Wir sind schneller als deine Karawane.«
    Dymas stöhnte. »Ja. Nein. Ach. Aber wieso du?«
    Drakons Gesicht verfinsterte sich. »Es gibt Dinge, die getan werden müssen. Im übrigen sollte ›wir‹ heißen, daß die meisten Karchedonier reiten. Ich breche auch auf, mit drei oder vier Leuten, aber nach Westen.«
    »Ich begreife überhaupt nichts, Drakon.«
    Der Arzt lachte müde. »Die Grundvoraussetzung aller Erkenntnis, Dymas. Warte ab.«
    Dymas wartete ab; bis Hamilkar sich zu ihnen hockte, einen Becher und einen eingerollten Brotfladen mit Fleisch in den Händen.
    »Kyros«, sagte Drakon. »Der Kyros, dem Xenophon als Söldner diente, nicht der andere, über den er phantastische Lügen geschrieben hat. Kyros hatte die Idee; er hatte viele glänzende Einfälle, die alle an schlechter Durchführung scheiterten. Kyros wollte etwas ändern, und da er immer groß gedacht hat, wollte er es in großen Zügen ändern. Asien und Europa, Persien und Hellas. Ineinander verkrallt, ewig verfeindet, aber unauflösbar verbunden durch Geschichte, durch Nähe, durch – ah, trennende Gemeinsamkeit. Ich vereinfache jetzt einige sehr langwierige und verwickelte Gedanken, Dymas; sonst wären wir drei Monde beschäftigt.«
    »Vier«, sagte Hamilkar. »Vergiß nicht Karchedons Teil. Auch den werden wir zusammenfassen.«
    »Gut. Kyros verwendete mehrere Vergleiche, allesamt schräg, allesamt falsch, aber erhellend. Mann und Frau, sagte er, ewig getrennt und unvereinbar, beide füreinander unlösbare Rätsel. Aber etwas zieht sie zueinander, kurze Zeit verschmelzen sie, zeugen neues Leben und neue Rätsel, und so können sie es miteinander aushalten, auch wenn keiner je den anderen begreift. Wie die Nacht, in der Kälte und Finsternis Furcht bewirken, und der Tag mit unerträglicher Hitze und blendendem Licht sich immer wieder in kurzen Dämmerungen vermählen, die dem Denken und der Freundschaft förderlich sind.«
    »Vielleicht«, sagte der Karchedonier nachdenklich, »hat er auch an Baal gedacht, den er kannte; Kyros hat sich ja in Babylonien und Syrien herumgetrieben. Baal ist beides: Tag und Nacht, Leben und Tod; unauflöslich und aufeinander angewiesen. Leben durch Tod. Weiter, Makedone.« Er hatte sein karges Frühmahl beendet; während Drakon weitersprach, beobachtete Dymas die Finger und den Mund Hamilkars. Er hielt eine winzige, trübe Blase in der Hand, etwa so groß wie der Daumennagel eines Mannes. Die Schwimmblase eines Fischs, oder vielleicht etwas, das aus einer Tierblase gefertigt war. Ein dünnes Röhrchen steckte darin, verschlossen mit einer ans Röhrchen gebundenen Kapsel. Hamilkar nahm die Kapsel ab, preßte die Blase zusammen, daß die Luft entwich, hielt das Röhrchen in seinen Würzweinbecher und lauschte stirnrunzelnd dem Gluckern, als die Blase sich vollsog. Dann verschloß er das Röhrchen – und schob die Blase in den Mund. Vermutlich öffnete er dort, mit

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