Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Kopf. »Unterschätzt ihn nicht; seine Zunge ist wie der Zahn einer Viper.«
Antigonos gluckste. »Wahr, edler Demaratos; dafür ist sein Geist hurtig wie, ah, eh, sagen wir, schnellfließend wie Hirsebrei und scharf wie der Blick dieses Auges.« Er hielt den kleinen Ball aus glasiertem Ton hoch, mit dem er gespielt hatte.
»Aber das wiegt der werte Kallisthenes mühelos auf.« Nearchos grinste. »Durch erlesene Eigenschaften wie Eitelkeit und Anmaßung, beispielsweise.«
»Nichts schöner, als an einem lauen Nachmittag die Minderwertigkeit anderer lästernd zu feiern.« Demaratos klopfte auf den Klapptisch. »Wir haben zu arbeiten, Freunde!«
Nearchos starrte auf das künstliche Auge, das Antigonos eben hochhielt und auf sich selbst richtete. »Mann, du machst mich wahnsinnig. Warum steckst du das Ding nicht endlich ein?«
Antigonos seufzte. »Es tut weh. Jedes der künstlichen Augen, die ich bisher hatte, hat weh getan.«
»Dann wirf es weg.«
Antigonos verzog den Mund. »Wegwerfen? Ah, vielleicht in anderer Form wegwerfen, ja – soll ich es dir schenken? Für eines deiner Eier, zum Beispiel?«
Demaratos knurrte. »Erledigt eure Spiele des Abschneidens und Tauschens später. Zur Sache! Haben wir die Kundschafter alle, Nearchos?«
Der Kreter nickte. »Namen, Aufenthalt, letzter Bericht, neue Anweisung.« Er legte die Hand auf die gestapelten, mit einem flachen Stein beschwerten Rollen.
Demaratos lächelte. »Dann wißt ihr soviel wie ich. In der nächsten Schlacht muß ich mich nicht mehr so vorsehen.«
»Du bist unersetzlich, alter Mann, und für einen Korinther ziemlich gut.« Antigonos zwinkerte mit der leeren Augenhöhle. »Was fehlt noch?«
»Die Frage, wohin das Netz der Kundschafter berichten soll.«
Antigonos warf das Auge hoch und fing es auf. »Eine schwierige Frage. Wie hast du das denn gemacht, wenn du in Hellas unterwegs warst? Du bist ja nicht immer in Korinth gewesen, auch nicht in Pella.«
»Das ist wahr, aber man konnte nach Korinth oder Pella berichten, und was wichtig war, wurde weitergeleitet. Und wenn ich ansonsten unterwegs war, konnte ich immer angeben, wo etwa ich wann etwa sein würde. Nur – jetzt, auf diesem Zug?« Er zuckte mit den Schultern. »Wir müssen Orte und Zeiten angeben können. Wie geht es weiter?«
»Das wird sich in den nächsten Tagen finden«, sagte Antigonos. »Beim nächsten oder übernächsten Kriegsrat. Bisher hat Alexander nicht viel dazu gesagt, oder?«
»Ein bißchen.« Nearchos zog eine übersichtliche, an Einzelheiten überreiche Karte unter dem Papyrosstapel hervor. »Zwei Dinge sind klar. Wir müssen die wichtigsten Städte haben; das sind vor allem die Hauptstädte der Satrapien und die Häfen – die Satrapen sind die einzigen, die Widerstand leisten können, sie haben das Geld, Dareios wird für die gefallenen Satrapen neue ernennen; und die Häfen brauchen wir, um unsere rückwärtigen Verbindungen halten zu können und die persische, das heißt phönikische Flotte auszuschalten. Das wäre erstens. Zweitens ist nach allen Berichten und nach dem, was wir durch im feindlichen Lager gefundene Karten wissen, das Binnenland weitgehend unwegsam – Dürregebiete, steinige Hochebenen, Bergketten.«
Demaratos hatte die Augen geschlossen und die Arme vor der Brust verschränkt; er regte sich nicht, und Nearchos begriff, daß all dies eine Prüfung war. Er wollte einen Blick mit Antigonos wechseln, aber der erfahrene Offizier grinste nur leicht.
»Ah, du weißt also auch schon alles? Kleiner dummer Kreter Nearchos, bitte weitermachen mit der Prüfung?«
Demaratos hob ein Lid, das unendlich schwer zu sein schien. »Alle Kreter lügen, wie wir wissen; deshalb unterziehen wir dich dem Verfahren der Wahrheitsfindung. Mach weiter.«
Nearchos ächzte; dann deutete er auf verschiedene Punkte der Karte. »Tyaly Drayahya«, sagte er. »Sparda. Yauna. Karka.«
Antigonos gluckste wieder. »Der Kleine kann Iranisch, toll. Wozu zählst du die Satrapien auf?«
»Weil es um sie geht. Die daskylische Satrapie im Norden, die sardische, die ionische, die karische. Das sind unsere nächsten Ziele. Ich nehme an, hier oben wird es ein paar Aufräumarbeiten geben – vielleicht schickt Alexander Parmenion nach Daskyleion, um Arsites einzufangen und die Lage zu bereinigen. Der Rest des Heers dürfte der Küste folgen, zurück nach Lampsakos und Ilion, dann immer nach Süden. Es ist das beste Verfahren; die Flotte kann uns dabei abschirmen und versorgen. Wissen wir, wo
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