Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
reisest du allein, oder mit feinen Gefährten?«
Ptolemaios grinste, mit entblößten Zähnen. »Feine Gefährten, ja, und viele. Du brauchst es gar nicht erst mit schäbigen Schlichen zu versuchen, falls du das vorhattest.«
Bagoas leerte seinen Kelch. »Schliche? Der arme alte Bagoas kennt viele Lieder, auch ein paar Tanzschritte, aber Schliche?«
Auf dem langen Rückweg zum Granikos ließ Ptolemaios zwei Reiter neben dem Karren. Bagoas blieb auf seinen Teppichen hocken und zeigte sich nicht. Gegen Mittag kam ihnen Philotas mit mehreren Dutzend Hetairen entgegen.
»Ich hab nen sehr schrägen Fisch an Land gezogen«, sagte Ptolemaios mit einem Grinsen.
»Sieht aus, als ob da ein bißchen Geld drin wäre.« Philotas ritt neben ihm, nach einem schnellen Blick in den Wagen. »Bist du sicher, daß du alles hast?«
Ptolemaios nickte. »Ich hab ein paar Leute weiter vorreiten lassen – keine Spuren mehr, außer von verstreuten Flüchtenden. Nee, das da drin dürfte alles sein. Und das da ist sehr schwer und stinkt nach Macht und Reichtum.«
Philotas hob die Schultern. »Soll Alexander sich mit befassen. Ich frag mich bloß, wo der Rest der Perser abgeblieben ist.«
»Früher oder später finden wir die irgendwo, keine Sorge.« Ptolemaios lächelte. »Die müssen für sich selber sorgen. Oder hattest du vor, sie liebevoll zu pflegen?«
3. WAHRHEITEN UND WAFFEN
Für den größten Teil des Heeres war der Tag nach der Schlacht ein Tag des Ruhens und Räumens. Abteilungen aller Reitertruppen – Aufklärer, Hetairen, Thessalier, Thraker, Hellenen – waren im Land unterwegs, um festzustellen, wohin die fliehenden Perser sich wandten, wo die entkommenen Führer wie Memnon oder Arsites sein mochten, ob wirklich alle Teile des gegnerischen Lagers gefunden waren, und überhaupt, was sich in der weiteren Umgebung abspielte. Die übrigen Kämpfer schliefen, aßen, würfelten, reinigten sich, belästigten die Versorger, warteten darauf, daß nach dem Sieg endlich die Händler des nördlichen Phrygien ihre umwallten Städte verließen und zu ihnen kamen, ohne Furcht vor der Rache des Satrapen.
Arbeit gab es jedoch für die Offiziere der Truppen und Stäbe, natürlich für die Heiler und Pfleger, außerdem für die Versorger und Teile der übrigen Nichtkämpfer. Die aus sieben bisher gefundenen Lagern herbeigeschafften Vorräte des Gegners waren zu sichten, aufzulisten, umzupacken; die Beute an Münzen oder nach Schmelzung münzbarem Metall mußte gezählt und gewogen werden; Schmiede und Waffenmeister prüften die Güte von vielen tausend Schwertern, Panzern und Speerspitzen – letztere wurden, wenn sie noch verwendbar waren, von den minderwertigen Schäften gelöst, mit neuem Lanzenschuh versehen und erhielten dann den harten Schaft aus Kirschholz. Alexander war mit seinen engsten Beratern den ganzen Tag im Lager unterwegs, immer gefolgt von Eumenes oder mehreren von dessen Schreibern, zur verläßlichen und umfassenden Führung der Königlichen Tagebücher, und von Kallisthenes und seinen Helfern.
Artistoteles’ Neffe blieb ungewöhnlich still-weniger weil er, Parmenions Rat befolgend, seine Zunge hütete, sondern weil die Menge, Vielfalt und Verschiedenheit der Dinge ihn überwältigte: Chaos für ihn, Kosmos für die Männer des Heers.
»Merk dir die Zahlen, oder schreib sie auf.« Alexander lächelte spöttisch, als er sah, wie Kallisthenes und seine Männer die tragbaren Pulte umhängten und in den Ledertaschen kramten, ob dort auch genug Wachstäfelchen seien. »Und bevor du später alles auf Papyros festhältst, wollen wir die Zahlen vergleichen. Sie stimmen nämlich nie.«
»Was stimmt an ihnen nie?«
Alexander kaute auf der Unterlippe; dann lachte er. »Man muß sie berichtigen, für die Empfänger deiner Briefe. Du wirst zum Beispiel feststellen, daß nur fünfundzwanzig Hetairenreiter im Kampf gefallen sind.«
»Aber ...«
»Ich weiß, die Zahl der Toten ist größer. Aber – die übrigen wurden verletzt und starben nach der Schlacht. Sie gehören also nicht in die Liste – jedenfalls nicht in die Briefe, die du nach Athen schickst, zum Ergötzen der Hellenen, die ob des gewaltigen Sieges in Treue und Begeisterung verstummen sollen. Ferner, und das kannst du nicht wissen, werden etwa doppelt so viele Perser gestorben sein, wie bisher gestorben sind.«
Kallisthenes grinste; das Spiel gefiel ihm. »Woran sind sie gestorben, und wann?«
Alexander breitete die Arme aus. »Bei unseren Männern sind wir
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