Alexander in Asien: Alexander 2 (German Edition)
Umgang unterscheiden läßt. Andere, edlere, deren Geist nicht schartig und abgewetzt ist, mißbilligen derlei zutiefst; so sah ich, als der König mit einem Bauerntölpel von Dekardarchen namens Emes belanglose Scherze über des Großkönigs goldenes Bildnis machte, zu dessen Besitz jenem Emes die Gunst des Lagiden Ptolemaios verholfen, düsteren Unmutes Hauch des Hephaistion ebenmäßige Züge bewölken. Auch besaß dieser Emes die Dreistigkeit, den König ohne jede Ehrerbietung mit Namen anzureden und zu verlangen, Alexander möge doch bald entsprechende Bildnisse seiner Anmut fertigen und an die groben Krieger verteilen lassen. Philipps Sohn lachte herzhaft, wie über einen guten Scherz, und klopfte dem Tölpel gar noch auf die Schulter.«
Den ganzen Tag sprach Alexander mit den Führern von Reihen, von Zügen (vier Reihen), von Gruppen oder Halb-Ilen (vier Züge), von Ilen, von Pentekosiarchien, von Taxeis; er lobte und tadelte, lauschte erlogenen Heldengeschichten, ritt durch den Fluß, um abermals nach den Verwundeten zu schauen, wobei er zu Kallisthenes’ Entsetzen selbst Hand anlegte, um widerliche Wunden widerwärtiger Hopliten mit Kräutern und Umschlägen zu versehen, und zu Kallisthenes’ Ungemach waren eine Handvoll Getreide und ein Becher Wasser, im Stehen eingenommen, die einzige Nahrung während des Tages.
Unter all den Dingen, deren Bedeutung er bezweifelte und deren Zusammenspiel im Gefüge des Heers er kaum erfaßte, verlor Kallisthenes irgendwann völlig den Überblick, und die Geduld. Er hatte das undeutliche Gefühl, wichtige Entwicklungen zu sehen, die er aber nicht in Worte fassen konnte; weniger für seinen Onkel Aristoteles, der ohnehin mehr von allem verstand als Kallisthenes, wohl aber für die wichtigen, mit dem Abschreiben und Verteilen der Briefe in den hellenischen Städten betrauten Männer wollte er auch die Dinge des Kriegs darlegen, die gewaltigen Neuerungen, die Philipp begonnen hatte und die Alexander – wie sein Vater mit Parmenions Hilfe – fortsetzte und ausbaute: die gleichzeitige Verwendung unterschiedlicher Truppen und Waffen zu verschiedenen Zwecken. So ritzte er mit dem Eisengriffel wirre Zeichen in die Täfelchen, rüstete die schnellfüßigen agrianischen Speerwerfer mit dem schweren Kirschholz-Xyston der Hetairenreiter, Thessalier und Hypaspisten aus, machte kurzerhand aus Paionen Thraker und aus Odrysen Illyrer, erklärte die Ile makedonischer Bogenschützen zu Kretern, schlug die Kreter den Leichtbewaffneten zu, verwandelte alle Kataphrakten aus schweren Reitern zu Belagerungsgeräten, warf schließlich seine Tafeln auf den Boden und trampelte unter Wutgeschrei darauf herum, wobei er im Geist bereits einen Brief entwarf, an einen Freund in Athen. Diesem würde er mitteilen, wie sehr er sich nach den schlichten Wirrnissen von Masken und Gewändern, Duftwässern und Rebsorten, Versmaßen und Redefiguren sehne, und daß er statt haariger Kriegerbeine endlich wieder die Vorzüge der enthaarten Schamteile attischer Buhlmaiden begehre. Für seine ihm vom König auferlegten Pflichten verließ er sich im übrigen auf die drei Schreiber, deren Aufzeichnungen er später mit denen des Stabs von Eumenes vergleichen würde.
Nearchos blies gestreuten Sand vom letzten Papyros, als er Demaratos lachen hörte. Der alte Korinther deutete ins Gewimmel des Lagers; er mußte ungeheuer scharfe Augen haben.
»Was ist?«
Demaratos gluckste. »Da. Kallisthenes tanzt.«
Antigonos blickte von seinem künstlichen Auge auf, das er in der linken Handfläche rollen ließ. »Wo?« Er kniff das heile Auge zusammen; dann lachte er auch.
Nearchos stand auf, trat hinter Demaratos und blickte dessen Arm entlang. Er schnalzte leise.
»Hat wahrscheinlich wieder was nicht verstanden und ist wütend, aber immer über andere, nie über sich.«
Antigonos räusperte sich. »Seltsam, wie nah in einer Familie höchste Geistesschärfe und anmaßender Stumpfsinn liegen können. War er immer schon so?« Der ergraute makedonische Offizier blinzelte den Kreter an.
Nearchos setzte sich wieder auf seinen Schemel und legte den Papyros zu den übrigen. »Immer ist ein langes Wort. In Mieza war er zeitweilig zu ertragen; da waren wir ja die dummen Jungs, und er durfte uns etwas beibringen.«
»Warum hat Alexander ihn mitgenommen?«
Nearchos hob die Schultern. »Wegen Aristoteles, nehm ich an. Und aus einer Art Treue; immerhin haben wir ja jahrelang zusammengehockt.«
Demaratos schüttelte sanft den
Weitere Kostenlose Bücher